Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
Nitsas-Ini, welcher kam, gefolgt von einigen seiner besten Krieger. Auch seine weiße Squaw brachte er mit, wohl deshalb, weil die Boten gesagt hatten, daß hier auch Frauen seien. Die Lagernden erhoben sich, ihn zu begrüßen. Er blieb vor ihrem geöffneten Kreise stehen und ließ, jedem einen scharfen, musternden Blick zuwerfend, sein Auge in die Runde gehen. Als er Sam Hawkens sah, nahm sein ernstes Gesicht einen milderen Ausdruck an und er sagte, ihm die Hand reichend:
»Mein weißer Bruder Sam ist dabei? Dann weiß ich, daß diese laute Lustigkeit uns keinen Schaden bringen wird, denn Sam Hawkens läßt seine Stimme nicht hören, wenn ein Feind in der Nähe ist.«
Auch Dick Stone und Will Parker bekamen eine Hand, und dann wurden ihm die Namen der übrigen genannt. Von den Frauen nahm er nicht die geringste Notiz. Als ihm Adolf Wolf genannt wurde, legte er ihm die Hand auf den Kopf und sagte:
»Du bist der Freund meines Sohnes und der Neffe meines weißen Bruders. Sei willkommen unter den Zelten der Navajos! Du wirst wie ein Kind unsres Stammes sein.«
Beim Anblicke des Hobble-Frank, dessen Name ihm auch genannt wurde, lächelte er ein wenig und sagte:
»Mein Bruder Frank kennt alle Geheimnisse des Himmels und der Erde. Wir werden sehr viel von ihm lernen können.«
»Das ist wahr,« antwortete Frank sehr ernst. »Es freut mich, daß der große Häuptling der Navajos dies weiß und anerkennt; darum werde ich ihm meine ganze Wissenschaft zur Verfügung stellen.«
Darauf machte der Hobble der weißen Squaw eine Verbeugung und sprach, indem er sich seiner Muttersprache bediente:
»Verehrte Dame, ich preise mich sehr glücklich, Ihre ergebenste Bekanntschaft zu machen. Wenn ich wüßte, daß Sie noch nischt von mir gehört hätten, so würde ich so freundlich sein, mich Ihnen mit meinem ganzen Namen zu – – –«
»Ist nicht nötig, Herr Franke,« unterbrach sie ihn mit einem heiteren Lächeln. »Ich kenne Sie schon sehr genau.«
»Wohl aus den Erzählungen meines Freundes Old Shatterhand?«
»Ja. Auch Winnetou hat zuweilen von Ihnen gesprochen.«
»Freut mich ungemeen; trotzdem aber gebe ich Ihnen parlamentarisch zu bedenken, daß die richtige Wirklichkeet oder die wirkliche Richtigkeet niemals von eener bloßen Erzählung oder Beschreibung erreicht werden kann. Was Sie jetzt von mir wissen, das is, sozusagen, een kleenes Laternenlicht. Lassen Sie mich aber erscht acht Tage bei Ihnen sein, so wird Ihnen in mir eene Sonne leuchten, bei deren Schtrahlen alle Fixschterne erbleichen müssen. Erlooben Sie mir gehorsamst, Sie mit den hiesigen Herrschaften bekannt zu machen! Hier is vor allen Dingen unsre wackere Frau Rosalie Eberschbach. Nachher –«
Er wollte zu einer andern Person übergehen; aber Frau Rosalie schob ihn mit den Worten fort:
»Was man eenmal macht, das muß man ooch richtig machen. Verschtehn Se mich! Ich werde die Vorschtellung selber besorgen. Dazu brauchen wir keenen Herrn, der zwar gelehrt sein will, sich aber nich ‘mal eenen vollschtändigen Namen merken kann.«
»Na«, meinte er, »wollen Sie mir etwa gar zumuten, alle Ihre Namen herunterzuleiern, die Sie von der Wiege bis zum Grabe gehabt haben? Ich habe den richtigen genannt und der wird wohl genügen!«
»Genügen? I, was Sie nich sagen! Gewöhnlich genügt er, ja; aber bei eener Vorschtellung, wo off den Eindruck des erschten Oogenblicks so viel und alles ankommt, kann man nich ausführlich genug sein.«
Und sich zu der weißen Squaw wendend, fuhr sie fort:
»Also ich bin Frau Rosalie Eberschbach, geborene Morgenschtern, verwittwete Leiermüllern, aus Heimberg in Sachsen, und hier is Julius, mein zweeter Gatte und Schmiedemeester – – –«
In dieser Weise nannte sie die Namen aller Personen der vier Auswandrerfamilien und lud dann die Frau des Häuptlings ein, sich bei ihr niederzusetzen. Die Squaw folgte bereitwillig dieser Aufforderung und bald befanden sich die Damen in einer sehr angeregten Unterhaltung, welche aber auf die Bitte der Squaw leise geführt wurde, denn bei den Indianern haben die Frauen in Gegenwart der Männer zu schweigen, selbst wenn diese nicht sprechen.
Dieses letztere war hier zunächst auch der Fall. Der Häuptling hatte sich zu Sam Hawkens gesetzt und blickte lange Zeit, ohne ein Wort zu sagen, finster vor sich hin. Die indianische Höflichkeit verbot den andern, sein Schweigen mit einem Worte zu brechen. Dann, nach ungefähr einer Viertelstunde, sagte er endlich:
»Mein Bruder Sam mag
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