Saemtliche Werke von Karl May - Band 01
einfach.«
»Nicht so einfach, wie ihr denkt. Ich habe doch gehört, daß besonders Khasti-tine ein ausgezeichneter Späher gewesen sein soll?«
»Nicht nur das. Er war trotz seiner Jugend ein Meister im Kundschaften.«
»So! Und da ist es euch nicht aufgefallen, daß er jetzt, wo er sich nicht allein befand, sondern neun Gefährten bei sich hatte, so unvorsichtig gewesen sein soll, sich erwischen zu lassen?«
Wolf sah Sam forschend in das Gesicht und fragte dann:
»Was beabsichtigt Ihr denn eigentlich mit Euren Worten?«
»Euch auf die Wahrheit zu bringen. Die Nijoras haben Eure Späher nicht getötet.«
»Wer denn?«
»Der Oelprinz.«
»Der – Oelprinz?« wiederholte Wolf im Tone des absolutesten Unglaubens.
»Ja, der Oelprinz,« bestätigte Sam.
»Das ist ein Irrtum. Wer hat Euch das weisgemacht?«
»Hört, Mr. Wolf, Sam Hawkens läßt sich nicht so leicht etwas weismachen!«
»Mag sein; so seid Ihr erbittert gegen den Oelprinzen, und diese Erbitterung hat Euch auf eine ungerechtfertigte Vermutung, auf eine falsche Berechnung gebracht.«
»Ich habe weder etwas vermutet noch etwas berechnet, sondern meine Behauptung gründet sich auf Thatsachen.«
»Alle Donner! So redet doch! Was sind das für Thatsachen?«
»Khasti-tine hat seine Sache ganz ausgezeichnet gemacht. Er beschlich den Häuptling der Nijoras so vortrefflich, daß dieser unbedingt in seine Hände fallen mußte; da aber kam ein andrer, ein ganz Unbeteiligter dazu und schoß ihn und seinen Gefährten hinterrücks nieder.«
»Und dieser Mörder soll – soll – euer Oelprinz gewesen sein?«
»Soll es nicht gewesen sein, sondern ist es gewesen.«
»Beweist es mir; beweist es!«
»Nichts ist leichter als das. Es waren Zeugen dabei, zwei Männer, die es verhindern wollten, aber nicht verhindern konnten, weil es zu schnell geschah. Und diese Zeugen sitzen hier bei uns.«
»Hier?« fragte Wolf, indem sein Blick suchend im Kreise herumging.
»Ja. Mr. Rollins und Mr. Baumgarten sind’s. Fragt sie nur; laßt es Euch von ihnen erzählen.«
Er wollte es doch noch nicht glauben; aber als der Bankier ihm den Vorgang genau und bis in das Einzelnste berichtet hatte, konnte er nicht länger zweifeln und rief nun um so grimmiger aus:
»Also dieser Kerl, dieser Schurke ist es wirklich gewesen! Und den haben wir bei uns gehabt! Er hat sich in meiner unmittelbaren Nähe befunden, so daß ich ihm das Messer in das Herz hätte stoßen können. Und wir haben nichts geahnt, nichts, gar nichts!«
»Ja, sogar bewaffnet habt ihr die Leute, hihihihi!« lachte Sam in seiner sonderbaren Weise. »Habt das sehr gut gemacht, wirklich außerordentlich gut!«
»Schweigt, Mr. Hawkens! Konnte man an so etwas denken? Ist so eine Frechheit für möglich zu halten? Kann ein Mensch, der unsre Kundschafter ermordet, sich dann zu uns wagen und Unterstützung von uns verlangen?«
»Daß es möglich ist, habt Ihr soeben erfahren. Gut nur, daß Ihr die Anweisung zurückbehalten habt. Den Kerl selbst freilich habt Ihr laufen lassen, ihn mit samt seinen beiden Helfershelfern.«
»Ja, das habe ich leider; aber ich bin überzeugt, daß dies nur für einstweilen gilt. Sie werden uns, und zwar vielleicht schon morgen, wieder in die Hände laufen.«
»Hm!« brummte Sam.
»Was brummt Ihr dazu?«
»O, ich wollte damit nur sagen, daß oft nicht alles so geschieht, wie man es wünscht.«
»Pshaw! Die Kerle sind ja hinter uns her und wir brauchen also nichts, gar nichts zu thun, als auf sie zu warten.«
»Ganz richtig! Aber wenn ihr nun nicht warten könnt? Es kann leicht etwas geschehen, was euch anderweit vollständig in Anspruch nimmt. Oder der Oelprinz kann sich besinnen und umkehren.«
»So jagen wir ihm nach und ruhen nicht eher, als bis wir ihn erwischen! Ich werde ihm morgen einige Kundschafter entgegenschicken, um darüber Gewißheit zu bekommen, ob er uns wirklich folgt oder nicht.«
»Und er sieht diese Kundschafter und macht sich aus dem Staube.«
»Das gewiß nicht, denn ich suche die besten meiner Leute aus. Also der, der ist der Mörder von Khasti-tine! Das muß der Häuptling erfahren, und zwar sofort! Er wartet überhaupt auf Nachricht. Ich muß ihn mit Euch zusammenbringen, damit wir uns wegen morgen beraten können. Wollt Ihr mitgehen?«
»Nein,« antwortete Hawkens. »Er mag kommen.«
»Aber bedenkt, daß er ein bedeutender Häuptling ist! Er darf wohl erwarten, daß Ihr so höflich seid, ihn aufzusuchen!«
»Wie? Was? Seid Ihr so weit verindianert,
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