Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)
mich werfen und sagen: »Die muss dran glauben.« Während Tash das Mädchen wäre, das sich in der Dusche auszieht, im letzten Moment gerettet wird und bis an sein Lebensende mit dem Helden und seinen perfekten Zähnen glücklich ist.
Vielleicht hat sie dieses Happy End verdient, weil ihr echtes Leben nicht sonderlich lustig war. Tash ist in einem alten Bauernhaus eine halbe Meile außerhalb von Bingham aufgewachsen, an einem schmalen Weg, gerade breit genug für ein Auto oder einen Traktor. Mr McBain hatte den Hof in der Hoffnung gemietet, ihn eines Tages zu kaufen, doch er brachte das Geld nie auf.
Ich erinnere mich, wie meine Mutter sagte, die McBains wären weiße Unterschicht, was ich nie wirklich verstanden habe. Eine Menge Leute wohnen zur Miete und schicken ihre Kinder auf öffentliche Schulen, ohne dass sie deswegen verkorkster wären als die Reichen, die in Priory Corner leben.
Dort habe ich gewohnt, in einem Haus namens »The Old Vicarage«. Dort hat früher der Pfarrer gewohnt, bis die Kirche beschloss, dass sie noch mehr Geld brauchte, und das Haus samt Grundstück verkauft hat. Die Straßen von Priory Corner sind nicht mit Gold gepflastert, aber unsere Nachbarn benehmen sich so, als sollten sie es sein.
Wie alle anderen in der Stadt hängten sie nach unserem Verschwinden Plakate in ihre Fenster und pappten Aufkleber auf ihre Autos. Es gab Mahnwachen mit Kerzen, Sondergottesdienste in St. Mark’s und Gebete in der Schule. So viele Gebete, dass ich nicht weiß, wie Gott sie alle überhören konnte.
Wahrscheinlich fragt ihr euch, woher ich den Kram mit der polizeilichen Suche und der Mahnwache weiß. In den ersten paar Wochen ließ George uns fernsehen und Zeitung lesen. Wir waren in einem Speicher angekettet mit schrägen Decken und einem mit Vogelscheiße verdreckten Dachfenster. Der Raum unter den Dachziegeln war heiß und stickig, aber viel netter als hier. Es gab ein richtiges Bett und einen alten Fernseher mit einem Kleiderbügel als Antenne und rauschendem Schneesturm auf den meisten Sendern.
Am dritten Tag sah ich Mum und Dad auf dem Bildschirm. Sie sahen aus wie Kaninchen, die in einem grellen Lichtstrahl erstarrt waren. Mum trug ihr enges, schwarzes Kleid von Alexander McQueen und dunkle Pumps. Tash kannte die Marke. Ich bin nicht so gut in Designerklamotten. Mum hielt ein Foto in der Hand. Sie hatte ihre Stimme wiedergefunden und war nicht mehr zu bremsen.
Sie listete alle Kleider auf, die ich möglicherweise getragen hatte, als hätte ich sie wie Brotkrumen fallen lassen, um eine Spur zu legen, der die Leute folgen konnten. Dann hielt sie inne und starrte in die Kamera. Eine Träne hing an ihrer Wange, und weil alle warteten, wann sie fallen würde, hörte niemand auf das, was sie sagte.
Mr und Mrs McBain waren ebenfalls auf der Pressekonferenz. Mrs McBain hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich zu schminken … oder zu schlafen. Sie hatte dicke Tränensäcke unter den Augen und trug ein T-Shirt und eine alte Jeans.
»Wie eine Vogelscheuche«, meinte Tash.
»Sie macht sich Sorgen um dich.«
»So sieht sie immer aus.«
Mein Dad holte zittrig Luft, doch seine Worte waren klar.
»Irgendjemand muss Piper und Tash gesehen haben. Vielleicht sind Sie sich nicht sicher oder wollen jemanden schützen. Bitte rufen Sie trotzdem die Polizei an. Sie können sich nicht vorstellen, was Piper uns bedeutet. Wir können nicht ohne unsere Tochter sein.«
Er blickte direkt in die Kameras. »Wenn Sie unsere Kinder entführt haben, geben Sie sie bitte zurück. Setzen Sie sie an der nächsten Straßenecke ab. Die beiden können einen Bus oder den Zug nehmen. Lassen Sie sie laufen.«
Dann wandte er sich an Tash und mich.
»Piper, wenn ihr beide, du und Tash, das seht. Wir finden euch. Haltet einfach durch. Wir kommen.«
Mit all der verwischten Mascara hatte Mum Augen wie ein Panda, doch sie sah immer noch aus wie ein Filmstar. Niemand kann für ein Foto posieren wie sie.
»Wo immer Sie sein mögen – wir verzeihen Ihnen. Schicken Sie Piper und Tash einfach nach Hause.«
Meine Schwester Phoebe wurde in ihrem hübschesten Kleid ins Bild gezerrt und stand mit einwärtsgerichteten Füßen und an den Fingern lutschend vor den Kameras. Mum musste ihr soufflieren.
»Komm nach Hause, Piper«, sagte Phoebe. »Wir vermissen dich alle.«
Tashs Vater sah sich den ganzen Zirkus mit verschränkten Armen an. Er sagte bis zum Schluss kein einziges Wort, bis ihn ein Reporter fragte: »Haben Sie nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher