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Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition)

Titel: Sag, es tut dir leid: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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Wetterbericht im Fernsehen sitzt ein Keil kalter Luft über Grönland und Island fest und blockiert den Jetstream vom Atlantik. Gleichzeitig haben arktische und sibirische Winde die Kälte »turbo-gefrostet«, was an der sogenannten Arktischen Oszillation liegt.
    Normalerweise habe ich nichts gegen Schnee. Er kann eine Menge Sünden verbergen. Unter den weißen Laken sieht London wunderschön aus, wie eine Stadt aus einem Märchen oder eine Filmkulisse. Aber heute ist es wichtig, dass die Züge pünktlich fahren. Charlie kommt nach London, wir wollen vier Tage zusammen nach Oxford fahren, ein Wochenende fürs Vater-Tochter-Bonding, obwohl sie es wahrscheinlich anders nennen würde.
    Es geht um einen Jungen. Er heißt Jacob.
    »Hättest du keinen Edward finden können?«, habe ich Charlie gefragt. Sie hat mir nur einen vernichtenden Blick zugeworfen – den, den sie von ihrer Mutter gelernt hat.
    Ich weiß nicht viel über Jacob außer der Marke seiner Unterhose, die man knapp unterhalb der Arschspalte lesen kann. Er könnte sehr nett sein. Er könnte einen Wortschatz haben. Ich weiß , dass er fünf Jahre älter als Charlie und zusammen mit ihr bei geschlossener Tür in ihrem Zimmer erwischt worden ist. Sie hätten sich nur geküsst, sagen sie, aber Charlies Bluse war aufgeknöpft.
    »Du musst mit ihr reden«, hat Julianne mir erklärt, »aber sei behutsam. Wir wollen nicht, dass sie Komplexe kriegt.«
    »Was für Komplexe denn?«
    »Wir könnten ihr den Sex verleiden.«
    »Wär doch ein Pluspunkt.«
    Das fand Julianne nicht witzig. Sie befürchtet, Charlie könnte unter einem zu geringen Selbstbewusstsein leiden, was offenbar der erste Schritt auf dem rutschigen Hang zu Essstörungen, kaputten Zähnen, unreiner Haut, schlechten Noten, Drogensucht und Prostitution ist. Ich übertreibe natürlich, doch immerhin fragt Julianne mich um Rat.
    Wir leben getrennt, sind jedoch nicht geschieden. Das Thema wird gelegentlich aufgebracht (nie von mir), doch wir sind noch nicht dazu gekommen, die Papiere zu unterschreiben. Derweil ziehen wir gemeinsam zwei Töchter groß, eine intelligente, entzückende Siebenjährige und einen Teenager mit einem frechen Mundwerk und ständig wechselnden Launen.
    Ich bin vor acht Monaten zurück nach London gezogen. Deshalb sehe ich die Mädchen nicht mehr so oft, was bedauerlich ist. Ich habe den Kreis beinahe geschlossen – ich habe eine neue psychologische Praxis eröffnet und lebe im Norden Londons. Wie vor fünf Jahren, als Julianne und ich ein Haus an der Grenze von Camden Town und Primrose Hill hatten. Im Sommer konnte man bei offenem Fenster die Löwen und Hyänen im Londoner Zoo hören. Als ob man auf Safari wäre, nur ohne Jeeps.
    Jetzt wohne ich in einem Einzimmer-Apartment, das mich an meine Studentenzeit erinnert – billig, vorübergehend, voller nicht zueinanderpassender Möbel und einem Vorrat von indischen Pickles und Chutneys im Kühlschrank.
    Ich versuche, nicht über die Vergangenheit zu grübeln. Ich berühre sie nur behutsam mit den äußersten Gedankenspitzen, als wären sie ein besorgniserregender Knoten in meinen Hoden, wahrscheinlich gutartig, aber vernichtend bis zum Beweis des Gegenteils.
    Ich praktiziere wieder. An der Tür prangt ein Messingschild mit der Aufschrift JOSEPH O’ LOUGHLIN , PSYCHOLOGE sowie verschiedenen Abkürzungen vor meinem Namen. Die meisten meiner Patienten werden mir vom Gericht geschickt, obwohl ich zwei Tage in der Woche auch für den National Health Service arbeite.
    Heute habe ich schon einen Autohändler mit Hang zum Cross-Dressing, einen zwangsgestörten Floristen und einen Nachtclub-Türsteher mit Aggressionsbewältigungsproblemen empfangen. Keiner von ihnen ist besonders gefährlich, sie versuchen bloß, irgendwie klarzukommen.
    Meine Sekretärin Bronwyn klopft an meine Tür. Sie ist eine Aushilfskraft von einer Zeitagentur und kaut schneller Kaugummi, als sie tippt.
    »Ihr Zwei-Uhr-Termin ist da«, sagt sie. »Und ich wollte fragen, ob ich heute früher gehen kann.«
    »Sie sind doch schon gestern früher gegangen.«
    »Ja.«
    Sie verzieht sich ohne weitere Diskussion.
    Mandy kommt herein, neunundzwanzig, blond und übergewichtig, mit schrecklicher Haut und Augen, die zu einer älteren Frau gehören sollten. Man hat sie zu mir geschickt, weil man ihre beiden Kinder allein in einer abgeschlossenen Wohnung gefunden hatte. Mandy war mit ihrem Freund in einen Club gegangen und hatte bei ihm übernachtet. Der Polizei erklärte sie, dass

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