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Sagen aus Niederösterreich

Sagen aus Niederösterreich

Titel: Sagen aus Niederösterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
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eine Spur des Bären zu finden sei. Zuletzt aber erschien noch ein Knecht, der wollte Seltsames erblickt haben. Mitten im dichtesten Gehölz stehe eine armselige Hütte, aus der unterdrücktes Stöhnen und klägliches Kindergeschrei dringe, daß einen das Grauen anpacken könne. Ein unheimliches Wesen müsse dort leben.
    Ritter Reinhard war nicht der Mann, sich durch derlei ängstliches Gerede ins Bockshorn jagen zu lassen. Mit fester Hand griff er nach seinem Jagdspieß und befahl dem Knecht, ihn zu der bezeichneten Stelle zu führen. Mit Mühe drangen sie im Wald durch dichtverwachsenes Unterholz vor und erreichten endlich eine notdürftig zusammengefügte Reisighütte. Furchtlos schritt der Ritter mit entblößtem Schwert in die düstere Behausung. Aber kein Feind und kein unheimliches Zauberwesen trat ihm entgegen; auf einem ärmlichen Streulager, mit Lumpen bedeckt, ruhte ein abgezehrtes junges Weib, das einen wimmernden Säugling an der Brust hielt. Entsetzt erkannte Reinhard in dem todblassen, hohlwangigen Geschöpf seine Tochter Eveline. Auch sie hatte auf den ersten Blick in der hohen Gestalt des Eintretenden den geliebten Vater erkannt und streckte ihm nun flehend die Arme entgegen. »Vater, ich bin es, deine Tochter«, sagte sie leise, »ach, verzeihe mir!«
    Da gab der Ritter sein Schwert in die Scheide, kniete nieder an dem armseligen Lager und schloß mit Tränen in den Augen sein wiedergefundenes Kind in die Arme. »Ja, meine Tochter«, rief er mit leiser Stimme, »aller Zorn sei vergessen; du sollst wieder in unsere schöne Burg zurückkehren!« Auch dem Edelknappen, der nun, ein Tierfell über seiner zerfetzten Gewandung, hohläugig, mit verwildertem Haar und Bart, die Hütte betrat, gewährte Ritter Reinhard volle Verzeihung und anerkannte ihn als Gatten seiner Tochter. Dankbar beugte der Knappe das Haupt und gelobte dem Ritter Treue und Gehorsam. Gemeinsam zogen sie nun durch den winterlichen Wald auf Schloß Greifenstein zurück.
    In der väterlichen Burg angelangt, galt die erste Frage Evelines ihrem treuen Erzieher und Berater, dem greisen Burgkaplan Emerich. Finster blickte der Burgherr zu Boden und dachte mit Schrecken des furchtbaren Schwurs, den er getan. Sollte er dem Kaplan allein seine Verzeihung versagen und dieser wirklich auf immer in seinem finsteren Kerker verbleiben? Ein so ungeheures Verbrechen hatte er doch gar nicht begangen, und Tochter und Eidam waren wohlbehalten zurückgekehrt und hatten mit ihm Versöhnung gefeiert Das Eidwort war damals im Zorn gesprochen, Gott wurde es ihm nachsehen. So dachte der Ritter und schritt zum Burggefängnis, um den alten Kaplan zu befreien. An der Mauerecke des Turms stürzte er plötzlich, glitt aus und fiel die Treppe hinunter. Noch im Fallen hatte er mit der Hand an den Stein gegriffen, der die Treppe abschloß, um den Sturz zu verhindern. Doch vergebens, er fiel, brach sich das Genick und war sofort tot So war sein entsetzlicher Schwur in Erfüllung gegangen. Auch der Geist des dahingeschiedenen Ritters fand, so wie er geschworen hatte, seine Ruhe nicht Erst wenn der Stein, an den er vor seinem Tode gegriffen, auseinandergefallen und zerbröckelt ist, wird er in den ewigen Frieden eingehen.
    Seitdem legten die Nachkommen des Ritters ihre Hand in den Stein und sprachen dabei die Worte: »So wahr ich greife an den Stein.« So erhielten Burg und Geschlecht den Namen Greifenstein. Heute noch zeigt man den Stein mit der Vertiefung, die durch das oftmalige Hingreifen entstanden ist, jedem Besucher der Burg Greifenstein.

Das Fest auf dem Hexenberg bei Petronell
    In einem Bauernhaus bei Petronell war der Jungknecht dahintergekommen, daß die Bäuerin oft des Nachts das Haus verließ. Da er ein neugieriger Bursche war, beschloß er zu erforschen, was sie denn eigentlich treibe. In der Johannisnacht legte er sich in den großen Backtrog auf die Lauer.
    Und richtig, gegen Mitternacht kam die Bäuerin dahergeschlichen, nahm einen Besenstiel zwischen die Beine und sprach die Worte: »Oben aus und nirgends an!« Dann war sie weg.
    Der vorwitzige Jungknecht wunderte sich zuerst über ihr Verschwinden, später dachte er, das könne er auch probieren. Er setzte sich ebenfalls auf einen Besenstiel, sprach aber, da er die Worte nicht recht verstanden hatte:
    »Oben aus und überall an!« Nun fuhr er freilich vom Boden in die Höhe und in der offenen Küche umher, aber ins Freie hinaus kam er nicht. Er stieß sich den Kopf, die Ellbogen und die Knie an allen

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