Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen aus Schwaben

Sagen aus Schwaben

Titel: Sagen aus Schwaben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ekz.bibliotheksservice GmbH
Vom Netzwerk:
von zwei Laternen beleuchtet. Sie wird von einem ehemaligen Grafen des Schlosses gelenkt, der, in voller Rüstung mit geschlossenem Helmvisier, allein darin sitzt. Mehr als hundert Knappen folgen ihm aus dem Felsenloch, jeder einen Speer und eine angezündete Fackel in den Händen. Wie der Blitz so schnell und mit wildem Getöse fährt der Zug den stellen Felsen in eine Schlucht hinab und macht dann unten im Tale Halt. Hier sammeln sich die Knappen um die Kutsche, der Graf steigt aus, legt an ein Rad den Hemmschuh und setzt sich wieder in die Kutsche. Unter großem Geschrei werfen nun die Knappen ihre Fackeln, die sogleich erlöschen, von sich und verschwinden mit der Hälfte der Geißböcke, die als Vorspann gedient hatten. Bei dem spärlichen Licht der zwei Laternen kehrt der Graf hierauf mit den übrigen zehn Böcken und mit gesperrtem Rade nach dem Felsenloch zurück und fährt dabei den Weg ebenso schnell hinauf, als er ihn mit dem starken Vorspann und ohne Hemmschuh herabgekommen ist.
    Oft sind schon Leute dem Zug begegnet. Wer schnell Platz machte, dem geschah kein Leid, wer aber nicht rasch auf die Seite sprang, wurde niedergeworfen und überfahren, wenn er auch weiter von dem leichten Fahrzeug nicht beschädigt wurde.

Die Glocke von Wunnenstein
    Auf dem Wunnenstein stand voreinst eine Kapelle, die dem heiligen Michael geweiht war. Im Turm der Kapelle hing eine mächtige Glocke. Sooft Hagelschlag oder Ungewitter die Gegend bedrohten, brachten die umwohnenden Landleute die Glocke zum Schwingen, und ihr tönender Klang schützte die Menschen vor Not und Tod.
    Davon hörten die Heilbronner und hätten daher die Glocke gern an sich gebracht und auf den Turm von St. Kilian gehängt. Die Stiftsdamen von Oberstenfeld, denen damals der Wunnenstein gehörte, verkauften ihnen endlich die Glocke um schweres Geld. Die Leute in den Dörfern rings um den Berg waren betrübt, als sie davon hörten; die von Heilbronn aber zogen hochbeglückt über ihren Kauf mit der Glocke von dannen.
    Aber wie erstaunten sie, als die Glocke stumm blieb, da der Mesner von St. Kilian sie zum erstenmal läuten wollte. Man ließ Geisterbanner kommen, sang und betete; aber es half alles nichts. Die Glocke blieb stumm. Da gerieten der Rat und die Bürgerschaft von Heilbronn in Furcht und Schrecken; einhellig beschlossen sie, die Glocke so schnell als möglich aus der Stadt hinaus und an ihren alten Ort zu bringen. Aber die Glocke war schwer, zwölf Pferde brachten sie kaum vom Fleck.
    Nun begegnete dem Zug der Heilbronner ein Bauersmann von Winzerhausen. Der freute sich ganz unbändig, als er die geliebte Glocke wieder zu Gesicht bekam, und erbot sich, sie den Städtern abzunehmen und auf den Berg zu führen. Und siehe, das ging so leicht, daß er sie mit seinen zwei Ochsen ganz ohne Mühe den Berg hinaufbrachte.
    Alles Volk aber war des Jubels voll, als die Glocke dann auf ihrem Turme hing und sie des Schutzes vor Wetternot und Sturmesunbill wieder sicher waren.

Die goldene Windfahne auf der Güssenburg bei Giengen
    Nicht weit von Giengen, der einst reichsfreien, jetzt württembergischen Landstadt, erheben sich auf einem Hügel die Trümmerhaufen der Güssenburg, deren dreizehn Schuh dicke Mauern noch heute von ihrer einstigen Stärke zeugen. Besonders im Glanze der Abendsonne sind die Reste der Burg gar malerisch anzusehen.
    Herr dieser Zwingstätte war im fünfzehnten Jahrhundert Hans Güß von Güssenburg, im Volke ,Mordhans, genannt, und wie dieser Beiname sagt, ein böser und gefährlicher Kumpan. Seine größte Freude war, Kaufleute und Reisende, die ihr Weg an der Burg vorbeiführte, zu überfallen, auszuplündern und gefangen in sein Raubnest zu schleppen. Nur gegen bedeutendes Lösegeld öffnete sich ihnen die Tür des Kerkers wieder, wenn sie dem Ungemach der Gefangenschaft nicht vorher erlegen waren.
    Die benachbarten Handelsstädte gaben sich alle Mühe, den Bösewicht in ihre Gewalt zu bekommen; doch vergeblich. Zwar war es den Ulmern schon einmal gelungen, ihn gefangenzunehmen, aber der Burgvogt von Güssenburg schickte den Kopf eines zugleich mit mehreren andern Ulmern gefangenen Kaufmannes in die Reichsstadt und ließ dem Rat kundtun, wenn sein Herr nicht binnen achtundvierzig Stunden frisch und gesund auf der Burg eintreffe, werde er alle übrigen Gefangenen töten lassen.
    Diese Drohung wirkte, und bevor noch die Frist verstrichen war, stellte sich der Mordhans wieder in seinem Schlosse ein und preßte aus den Gefangenen eine

Weitere Kostenlose Bücher