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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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ich ihm geschlachtet habe!«
    Mit solchen Worten wandte sich der Grausame dem Leichnam aufs neue zu, durchbohrte ihm an beiden Füßen die Sehnen zwischen Knöchel und Fersen, durchzog sie mit Riemen von Stierhaut, band sie am Wagensitze fest, schwang sich in den Wagen und trieb seine Rosse mit der Geißel den Schiffen zu, den Leichnam nachschleppend. Staubgewölk umwallte den Geschleiften, sein jüngst noch so liebliches Haupt zog mit zerrüttetem Haar eine breite Furche durch den Sand. Von der Mauer herab erblickte seine Mutter Hekabe das grauenvolle Schauspiel, warf den Schleier ihres Hauptes weit von sich und sah jammernd ihrem Sohne nach. Auch der König Priamos weinte und jammerte. Geheul und Angstruf der Trojaner und der fremden Völker hallte durch die ganze Stadt. Kaum ließ sich der alte König abhalten, selbst in seinem zornigen Schmerz zum Skäischen Tore hinauszustürmen und dem Mörder seines Sohnes nachzueilen. Er warf sich zu Boden und rief: »Hektor, Hektor! Alle andern Söhne, die mir mein Feind erschlug, vergesse ich über dir: o wärest du doch nur in meinen Armen gestorben!«
    Andromache, Hektors Gemahlin, hatte von dem ganzen Jammer noch nichts vernommen, ja ihr war nicht einmal ein Bote gekommen, der gemeldet hätte, daß ihr Gatte sich noch draußen vor den Toren befinde. Ruhig saß sie in einem der Gemächer des Palastes und durchwirkte ein schönes Purpurgewand mit bunter Stickerei. Und eben rief sie einer der Dienerinnen, einen großen Dreifuß ans Feuer zu stellen, um ihrem Gemahl ein wärmendes Bad vorzubereiten, wenn er aus der Feldschlacht käme. Da vernahm sie vom Turme her Geheul und Jammergeschrei. Finstre Ahnung im Herzen, rief sie: »Weh mir, ihr Mägde, ich fürchte, Achill habe meinen mutigen Gatten allein von der Stadt abgeschnitten und bedrohe seine Kühnheit, die ihn niemals im Haufen weilen läßt; folget euer zwei mir, daß wir schauen, was es gibt!« Mit pochendem Herzen durchstürmte sie den Palast, eilte auf den Turm und sah herab über die Mauer, wie die Rosse des Peliden den Leichnam ihres Gatten, erbarmungslos an den Wagen des Siegers gebunden, durchs Gefilde schleppten. Andromache sank rückwärts in die Arme ihrer Schwäger und Schwägerinnen in tiefe Ohnmacht, und der köstliche Haarschmuck, das Band, die Haube, die schöne Binde, das Hochzeitgeschenk Aphrodites, flogen weit weg von ihrem Haupte. Als sie endlich wieder aufzuatmen anfing, begann sie mit gebrochener Klage schluchzend vor Trojas Frauen: »Hektor! wehe mir Armen! Du, elend wie ich, zu Elend geboren, wie ich! In Schmerz und Jammer verlassen, sitze ich nun im Hause; eine Witwe mit unserem unmündigen Kinde, das des Vaters beraubt, die Augen gesenkt, mit immer betränten Wimpern aufwächst!
    Betteln wird es müssen bei den Freunden des Vaters und bald den am Rock, bald den am Ärmel zupfen, daß er ihm das Schälchen reiche und zu nippen gebe! Manchmal auch wird ein Kind blühender Eltern es vom Schmause verstoßen und sagen: ›Trolle dich, dein Vater ist ja nicht beim Gastmahl!‹ Dann flüchtet es sich weinend zu der Mutter, die keinen Gatten hat. Der aber wird die Hunde sättigen, und die Würmer werden den Überrest verzehren! Was helfen mir nun die schmucken zierlichen Gewande in den Kästen? Der Flamme will ich sie alle übergeben: was frommen sie mir? Hektor wird nicht mehr auf ihnen ruhen, nicht mehr in ihnen prangen!« So sprach sie weinend und wehklagend, und ringsumher seufzten die Trojanerinnen.
    LEICHENFEIER DES PATROKLOS
    Sobald Achill mit der Leiche seines Feindes bei den Schiffen angekommen war, ließ er diese am Bette des Patroklos aufs Antlitz in den Staub strecken. Derweil legten die Danaer ihre Rüstungen ab und setzten sich zu Tausenden am Schiffe des Peliden zum festlichen Leichenschmause nieder. Stiere, Schafe und Schweine wurden geschlachtet, und der Pelide ließ den Streitern eine köstliche Mahlzeit zurichten. Den Helden selbst führten die Genossen widerstrebend von der Leiche seines Freundes weg in das Zelt des Königes Agamemnon. Hier ward ein großes Geschirr voll Wasser an die Glut gestellt: ob sie nicht etwa den Peliden vermögen könnten, sich den blutigen Schlachtstaub von den Gliedern zu waschen. Er aber weigerte sich hartnäckig und schwur einen großen Eid: »Nein, so wahr Zeus lebt, kein Bad soll meinen Scheitel netzen, ehe Patroklos von mir auf den Scheiterhaufen gelegt ist, ehe ich mein Haar geschoren und ihm ein Denkmal aufgetürmt habe! Meinetwegen mögen wir

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