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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Hund zwischen Löwen und Menschen Freundschaft stiftet, sowenig zwischen Wölfen und Lämmern Eintracht besteht, sowenig wirst du mich mit dir befreunden. Einer von uns muß blutig zu Boden stürzen. Nimm deine Kunst zusammen, du mußt Lanzenschwinger und Fechter zugleich sein. Doch du wirst mir nicht entrinnen, all das Leid, das du den Meinigen mit der Lanze angetan hast, das büßest du mir jetzt auf einmal!« So schalt Achill und schleuderte die Lanze: doch Hektor sank ins Knie, und das Geschoß flog über ihn weg in die Erde; hier faßte es Athene und gab es dem Peliden, unbemerkt von Hektor, sogleich zurück. Mit zornigem Schwung entsandte nun Hektor auch seinen Speer, und dieser fehlte nicht, er traf mitten auf den Schild des Achill, aber prallte auch davon ab; bestürzt sah sich Hektor nach seinem Bruder Deïphobos um, denn er hatte keine zweite Lanze zu versenden. Doch dieser war verschwunden. Da wurde Hektor inne, daß es Athene war, die ihn getäuscht hatte. Wohl sah er ein, daß das Schicksal ihn jetzt fassen würde; er dachte daher nur darauf, wie er nicht ruhmlos in den Staub sinken wollte, zog sein gewaltiges Schwert von der Hüfte und stürmte, das geschwungene in der Rechten, wie ein Adler einher, der auf einen geduckten Hasen oder ein Lämmlein aus der Luft herabschießt. Der Pelide wartete den Streich nicht ab, auch er drang unter dem Schilde vor; sein Helm nickte, die Mähne flatterte, und sternhell strahlte sein Speer, den er grimmig in seiner Rechten schwenkte. Sein Auge durchspähte den Leib Hektors, forschend, wo etwa eine Wunde haften könnte. Da fand er alles blank von der geraubten Rüstung umhüllt: nur wo Achsel und Hals das Schlüsselbein verbindet, erschien die Kehle, die gefährlichste Stelle des Lebens am Leib, ein weniges entblößt. Dorthin lenkte Achill schnell besonnen seinen Stoß und durchstach ihm den Hals so mächtig, daß die Lanzenspitze zum Genick herausdrang. Doch durchschnitt ihm der Speer die Gurgel nicht so, daß der Verwundete nicht noch reden konnte, obgleich er in den Staub sank, während Achill laut frohlockte und den Leichnam Hunden und Vögeln preiszugeben drohte. Da begann der liegende Hektor, schon schwächer atmend, zu flehen: »Ich beschwöre dich bei deinem Leben, Achill, bei deinen Knien, bei deinen Eltern, laß nicht die Hunde bei den Schiffen der Danaer mich zerreißen! Nimm Erz und Gold, soviel du willst, zum Geschenk und entsende dafür meinen Leib nach Troja, daß Männer und Frauen dort ihm die Ehre des Scheiterhaufens zuteil werden lassen.«
    Aber Achill schüttelte sein fürchterliches Haupt und sprach: »Beschwöre mich nicht bei meinen Knien und meinen Eltern, du Mörder meines Freundes! Niemand sei, der dir die Hunde verscheuche von deinem Haupt, und wenn mir deine Landsleute zwanzigfältige Sühnung darwögen und noch mehr verhießen. Ja, wenn dich Priamos mir selbst mit Gold aufwägen wollte!« »Ich kenne dich«, stöhnte Hektor sterbend, »ich ahnte, daß du nicht zu erweichen sein würdest; dein Herz ist eisern! Aber denk an mich, wenn die Götter mich rächen und am hohen Skäischen Tore du vom Geschosse Phöbos Apollos getroffen im Staube endest wie jetzt ich!« Mit dieser Weissagung verließ Hektors Seele den Leib und flog zum Hades hinunter. Achill aber rief der fliehenden nach: »Stirb du; mein Los empfang ich, wann Zeus und die Götter wollen!« So sprach er und zog den Speer aus dem Leichnam, legte ihn beiseite und zog die eigene, blutige Rüstung von den Schultern des Gemordeten.
    Nun kamen aus dem griechischen Heere viel Streiter herbeigelaufen und betrachteten den Wuchs und 206
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    die hohe Bildung des toten Hektor bewundernd, und mancher sprach, ihn anrührend: »Wunderbar, wieviel sanfter ist doch der Mann nun zu betasten, als da er den Feuerbrand in unsere Schiffe schleuderte!« Jetzt stellte sich Achill mitten unter das Volk und sprach: »Freunde und Helden! Nachdem die Götter mir verliehen haben, diesen Mann hier zu bändigen, der uns mehr Böses getan hat als alle andern zusammen, so laßt uns in unserer Rüstung die Stadt ein wenig auskundschaften, um zu erforschen, ob sie uns wohl die Burg räumen werden oder ob sie es wagen, uns auch ohne Hektor Widerstand zu leisten. Aber was rede ich?
    Liegt nicht mein Freund Patroklos noch unbestattet bei den Schiffen? Darum stimmet den Siegsgesang an, ihr Männer, und laßt uns vor allen Dingen meinem Freunde das Sühnopfer bringen, das

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