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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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jetzt das traurige Festmahl abhalten. Morgen aber laß Holz im 207
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Wald fällen, Fürst Agamemnon, und beut alles auf, was zur Leichenbestattung meinem Freunde gehört, daß das Feuer den Jammeranblick schnell von uns nehme und das Volk sich wieder zur Kriegsarbeit wende!« Die Fürsten ließen ihn gewähren, setzten sich ans Mahl und schmausten. Dann ging ein jeder zur Nachtruhe.
    Der Sohn des Peleus aber, weil die Toten in seinem Zelte waren, legte sich, von seinen Myrmidonen umringt, am Meergestade nieder, wo der kiesige Strand von den Wellen reingespült war.
    Lange seufzte er hier noch auf dem harten Lager um den erschlagenen Freund. Als ihn aber endlich der Schlummer umfangen hatte, kam die Seele des jammervollen Patroklos im Traumbilde zu ihm, an Größe, Gestalt, Stimme und Augen jenem ganz ähnlich, den Leib eingehüllt in Gewande. So trat der Schatten zu seinen Häupten und sprach: »Schläfst du, meiner so ganz vergessen, Achill? Des Lebenden zwar hast du immerdar gedacht, aber nicht also des Toten! Gib mir ein Grab, denn mich verlangt sehr, durch das Tor des Hades einzugehen! Bis jetzt hab ich es nur irrend umwandelt, und es sitzen als Wächter Seelen da, die mich zurückscheuchen. Ehe der Scheiterhaufen mir gewährt worden ist, kann ich nicht zur Ruhe kommen. Du mußt aber wissen, Freund, daß auch dir vom Schicksal bestimmt ist, nicht ferne von der Mauer Trojas zu fallen. Richte deswegen mein Grab so ein, daß unser beider Gebein nebeneinander ruhen kann, wie wir zusammen in deines Vaters Wohnung aufgewachsen sind.«
    »Ich gelobe dir alles, Bruder!« rief Achill und streckte die Hände nach dem Schattenbilde aus: da sank die Seele schwirrend zur Erde hinab wie ein Rauch. Der Held sprang bestürzt vom Lager auf, schlug die Hände zusammen und sprach jammernd: »So leben denn die Seelen wirklich noch in der Behausung des Hades, aber ach! ein besinnungsloses Leben! Diese Nacht stand ja leibhaftig vor mir des Patroklos Seele, traurig und klagend, aber ihm in allem gleich!« Dadurch erregte Achill allen Helden die Sehnsucht nach dem Toten aufs neue.
    Als aber die Morgenröte anbrach, da verließen auf Agamemnons Befehl Männer und Maultiere die Lagerzelte, Meriones an ihrer Spitze: die Tiere voran, die Männer mit Äxten und Seilen ihnen folgend. Da wurden von ihnen auf den Waldhöhen des Ida die hochstämmigsten Bäume gefällt, das Holz zerschlagen und den Maultieren aufgeladen. Diese trabten damit hinab nach den Schiffen; auch die Männer schleppten Holzklötze auf den Schultern, und am Meeresstrande wurde alles in Reihen niedergelegt. Nun befahl Achill seinen Myrmidonen, ihre Erzrüstung anzulegen, und den Reisigen, die Wagen anzuspannen. Bald setzte sich der Leichenzug in Bewegung: die Fürsten, Kämpfer und Wagenlenker, von den Rossen gezogen, voran; ein dichtes Gewölk von Fußvolk zu Tausenden hintendrein. In der Mitte trugen den Patroklos seine Streitgenossen und Freunde; der Leichnam war ganz mit geschorenen Locken bedeckt, sein Haupt hielt Achill, der Leiche folgend, selbst in den Händen, in tiefe Trauer versenkt.
    Als sie den von diesem für das Grab seines Freundes bezeichneten Ort erreicht hatten, setzten sie die Totenbahre nieder, und ein ganzer Wald von Bäumen wurde zum Scheiterhaufen herbeigebracht. Der Pelide stellte sich abgewandt vom Gerüste und schor sein braungelocktes Haar, dann schaute er in die dunkle Meeresflut und sprach: »O Spercheios, thessalischer Heimatfluß, vergebens gelobte mein Vater Peleus, ich sollte heimgekehrt dir mein Haar scheren und an deinen Quellen, wo du Hain und Altar hast, dir fünfzig Widder opfern! Du hast sein Flehen nicht gehört, Stromgott! du lässest mich nicht heimkehren. So zürne mir auch nicht, wenn ich mein Lockenhaar dem Freunde Patroklos mit in den Hades zu tragen gebe!« Mit diesen Worten legte er sein Haupthaar in die Hände des Freundes, trat zu Agamemnon und sprach: »Heiß die Völker sich einmal sättigen am Gram, o Fürst! Gebeut ihnen, sich zu zerstreuen und das Mahl einzunehmen, uns laß das Werk der Bestattung vollenden!«
    Auf Agamemnons Befehl zerstreute sich das Kriegervolk zu den Schiffen, und nur die bestattenden Fürsten blieben auf der Stelle. Da fingen sie an, ein ungeheures Gerüst aus den gefällten und behauenen Baumstämmen aufzuführen, je hundert Fuß ins Gevierte. Oben darauf legten sie mit betrübten Herzen den Leichnam. Dann zogen sie eine Menge Schafe und Hornvieh

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