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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Erde legte, meinen Speer an die Mauer lehnte, ihm entgegenginge, ihm Helena, alle Schätze, die Paris geraubt, zudem anderes Gut die Fülle anböte; wenn ich alsdann den Fürsten Trojas einen Eidschwur abnähme, nichts ingeheim zu entziehen; all unsre Schätze und Vorräte in zwei Teile zu teilen . . . Doch, wehe mir, was für Gedanken kommen mir ins Herz?
    Ich mich ihm flehend nahen? Ohne Erbarmen würde er mich, den Entblößten, niederhauen wie ein Weib!
    Fürwahr, es würde schön lassen, wenn ich mich zu einem traulichen Gespräche ihm beigesellen wollte, wie ein Jüngling wohl mit der Jungfrau plaudert! Besser, wir rennen aufeinander an zum Kampfe, daß es sich bald entscheiden muß, welchem von uns beiden die Olympischen den Sieg verleihen!‹ Solche Gedanken wog Hektor im Geiste ab und blieb.
    DER TOD HEKTORS
    Immer näher kam Achill geschritten, dem Kriegsgott an furchtbarer Herrlichkeit gleich; auf der rechten Schulter bebte ihm entsetzlich seine Lanze aus Pelions Eschenholz, seine Erzwaffen schimmerten um ihn wie eine Feuersbrunst oder wie die aufgehende Sonne. Als Hektor ihn sah, mußte er unwillkürlich zittern; er vermochte nicht mehr stillezustehen: er wandte sich um, dem Tore zu, und hinter ihm her flog der Pelide, wie ein Falk der Taube nachstürzt, die oft seitwärts schlüpft, während der Raubvogel grad andringt in seinem Fluge. So flüchtete Hektor längs der Mauer von Troja über den Fahrweg hinüber an den beiden sprudelnden Quellen des Skamander vorbei, der warmen und der kalten, immer weiter um die Mauer: ein Starker floh, aber ein Stärkerer folgte. Also kreisten sie dreimal um die Stadt des Priamos, und vom Olymp sahen alle ewigen Götter dem Schauspiele mit gespannter Aufmerksamkeit zu. »Erwägt es wohl, ihr Götter«, sprach Zeus, »die Stunde der Entscheidung ist gekommen; jetzt fragt es sich: soll Hektor dem Tode noch einmal entfliehen, oder soll er, wie tapfer er auch sein mag, fallen?« Da nahm Pallas Athene das Wort und sprach:
    »Vater, wo denkst du hin? Einen Sterblichen, der längst dem Verhängnis anheimgefallen ist, willst du vom Tod erlösen? Tu, was dir gut dünkt, aber hoffe nicht, daß die Götter deinen Rat billigen werden!« Zeus nickte seiner Tochter Gewährung zu, und sie schwang sich wie ein Vogel von den Felsenhöhen des Olymp aufs Schlachtfeld hinab,
    Hier floh Hektor noch immer vor seinem Verfolger, der ihn, wie ein Jagdhund den aus dem Lager 205
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    aufgejagten Hirsch, bedrängte und ihm, wie dieser seinem Wild, keinen Schlupfwinkel und keine Rast gönnte. Auch winkte Achill seinem Volke zu, daß keiner sein Geschoß auf Hektorn werfen und ihm den Ruhm rauben sollte, der erste und einzige gewesen zu sein, der den furchtbarsten Feind der Griechen erlegte.
    Als sie nun zum viertenmal auf ihrer Runde um die Mauer an die Quellen des Skamander gelangt waren, da erhub sich Zeus auf dem Olymp, streckte die goldne Waage vor und legte zwei Todeslose hinein, das eine für den Peliden, das andre für Hektor. Dann faßte er die Waage in der Mitte und wog: da sank Hektors Waagschale tief nach dem Hades zu, und augenblicklich verließ Phöbos Apollo seine Seite. Zu Achill aber trat Athene die Göttin und flüsterte ihm ins Ohr: »Steh und erhole dich, während ich jenem zurede, dich kühn zu bekämpfen.« Achill lehnte sich, der Göttin gehorchend, auf seinen eschenen Speer, sie aber, in der Gestalt des Deïphobos, trat ganz nahe zu Hektor und sprach zu ihm: »Ach, mein älterer Bruder, wie bedrängt dich der Pelide! Wohlan, laß uns standhalten und ihn abwehren!« Freudig aufblickend erwiderte Hektor: »Du warst immer mein trautester Bruder, Deïphobos, jetzt aber muß dich mein Innerstes nur um so mehr hochachten, daß du dich, sobald mich dein Auge wahrnahm, aus der Stadt gewagt hast, während die andern alle hinter der Mauer sitzen!« Athene winkte dem Helden zu und schritt ihm, die Lanze gehoben, voran, dem ausruhenden Achill entgegen. Diesem rief Hektor zuerst zu: »Nicht länger entfliehe ich dir, Pelide; mein Herz treibt mich, dir fest entgegenzustehen, daß ich dich töte oder falle! Laß uns aber die Götter zu Zeugen eines Eidschwures nehmen: Wenn mir Zeus den Sieg verleiht, werde ich dich nimmermehr mißhandeln, sondern nachdem ich dir deine Rüstung abgezogen, die Leiche deinen Volksgenossen zurückgeben. Ein Gleiches sollst du mir tun!«
    »Nicht von Verträgen geplaudert!« erwiderte finster Achill; »sowenig ein

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