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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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vernommen, und ihr Herz sagte ihr voraus, welch ein Schicksal ihrem geliebten Sohne Memnon bevorstand.
    Dieser aber war schon in aller Frühe erwacht, als kaum die Gestirne bleichten; er schüttelte sich den Schlaf, den letzten auf Erden, von den Wimpern, und sprang vom Lager voll Sehnen, den entscheidenden Kampf für seine Freunde mit den Griechen zu beginnen. Auch die Trojaner warfen sich in ihre Rüstungen, und mit ihnen die zahllosen Gäste aus Äthiopien. Ohne sich lange zu verweilen, strömten die Scharen, Sturmgewölke gleich, das vom Winde getrieben wird, zu den Toren hinaus aufs Blachfeld; die ganze Straße wogte von dichtem Gedränge, und der Staub erhob sich unter ihren Füßen.
    Als die Griechen sie aus der Ferne heranziehen sahen, staunten sie, waffneten sich in Eile und zogen aus: Achill, auf welchen sie vertrauten, in ihrer Mitte, stolz auf seinem Wagen stehend, wie ein Titane und gleich einem Donnergeschoß in Zeus' Hand. Aber in der Mitte des trojanischen Heeres zog nicht minder herrlich Memnon einher, dem Kriegsgotte selber zu vergleichen; und sein unendliches Volk, gehorsam und kampflustig, hatte sich rings um ihn her geschart. Nun begann der Kampf: wie zwei Meere wogten die Heere sich entgegen und schlugen aneinander Well an Welle. Schwerter zischten und Speere sausten, lautes Getöse hallte durch die Schlachtreihen, und bald erhob sich in beiden Heeren Klagelaut um die Fallenden.
    Bald stürzte ein Troer um den andern vor den Stößen des Achill nieder wie vor einem Sturm, der Bäume aus den Wurzeln reißt und Häuser umwirft. Anderseits warf auch Memnon die griechischen Scharen darnieder wie ein böses Verhängnis, das den Sterblichen viel Jammer und Unheil bringt. Zwei edle Genossen Nestors fielen von seiner Hand, und jetzt nahte er dem Greise von Pylos selber, und es fehlte wenig, daß Nestor von der Lanze des Äthiopiers gefallen wäre. Denn eines seiner Wagenpferde war eben von einem Pfeile des Paris verwundet worden und hemmte den Wagen seines Herrn, als Memnon mit seinem Speere auf den Greis herzugerannt kam. Erschrocken rief dieser seinen Sohn Antilochos zu Hilfe, und sein Wort verhallte nicht in den Lüften. Der fromme Jüngling eilte heran, stellte sich vor die Brust des Vaters und warf seinen Speer nach dem Äthiopier. Dieser wich dem Geschosse aus, aber es traf seinen Freund Äthops, den Sohn des Pyrrhasos. Darüber ergrimmte Memnon, und wie der Löwe auf den Eber losstürzt, warf er sich nun auf Antilochos. Dieser schleuderte einen Stein gegen den Tobenden, der jedoch an seinem dichten Helme abprallte. Nun stieß ihm Memnon die Lanze durchs Herz, und Antilochos erkaufte so die Rettung seines Vaters mit dem Tode. Als die Achajer ihn sinken sahen, bemächtigte sich ihrer aller der Schmerz; den bittersten aber empfand der Vater, weil um seinetwillen und ihm vor den Augen der Sohn erschlagen wurde.
    Doch behielt er Besinnung genug, einen andern seiner Söhne, Thrasymedes, herbeizurufen, damit er den 221
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Mörder von dem Leichname seines Bruders hinwegscheuche. Dieser vernahm den Ruf im Getümmel der Schlacht, und zugleich mit ihm machte sich Phereus auf, den tobenden Sohn der Eos zu bekämpfen.
    Memnon ließ sie voll Zuversicht nahen, und alle ihre Speere flogen an seiner Rüstung vorüber, die ihm die göttliche Mutter gefeiet hatte. Doch erreichten sie immer ein Ziel, nur ein anderes, als wofür sie bestimmt waren, und beide trafen mit ihren Geschossen feindliche Helden. Währenddessen fing Memnon an, den getöteten Antilochos seiner Rüstung zu berauben, und die griechischen Streiter umkreisten den Gefallenen vergebens, wie heulende Schakale einen Hirsch, den der Löwe zerreißt. Nestor, als er dies erblickte, jammerte laut auf, rief seinen übrigen Freunden, ja sprang selbst vom Wagen herab und wollte mit schwindenden Geisteskräften für den Leichnam des Sohnes kämpfen. Doch Memnon, als er ihn kommen sah, wandte sich freiwillig von ihm ab, ehrfurchtsvoll, als sähe er einen Vater nahen. »Greis«, sprach er, »mir ziemt nicht, den Kampf mit dir zu versuchen! Von ferne hielt ich dich für einen jungen kriegerischen Mann, darum zielte meine Lanze nach dir; nun aber sehe ich, daß du weit älter bist. Meide den Kampf, weiche, daß ich dich nicht mit widerstrebendem Herzen fälle und du zu deinem Sohne in den Staub sinkest! Würde man dich doch einen Toren schelten, wenn du in so ungleichen Kampf dich gewagt hättest!« Nestor aber

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