Zauberhafte Versuchung
Prolog
In der Nähe von Alexandria
März 1887
S chweiß vermischte sich mit Sand, lief ihm in die Augen und trübte seinen Blick. K-J Fielding Grey, Viscount of Eldon, fuhr sich mit einem schmutzstarrenden Lappen über das staubbedeckte Gesicht. Es war immer mit Mühen verbunden, in eine Höhle zu kriechen oder eine Grabstätte freizulegen. Oder, wie eben jetzt, einen Tempel auszugraben.
Sand und Schmutz waren dabei nebensächlich. Für Fielding Grey waren sie ebenso unwichtig wie der Gegenstand, nach dem er auf der Suche war. Das Einzige, was für ihn zählte, als er sich in einen kleinen, nur von der Laterne in seiner Hand erhellten Vorraum zwängte, war die enorme Summe, die sein Kunde ihm zahlen würde, sobald er die Überreste der Großen Bibliothek von Alexandria fand.
Diese Bibliothek war einst die größte der Welt gewesen und hatte Schätze wie Aristoteles' private Sammlung enthalten. König Ptolemäus II. hatte sogar Schiffe kapern lassen, um Bücher oder Schriften, die sich an Bord befanden, für die berühmte Bibliothek zu konfiszieren. Der Legende nach war sie auf Befehl Julius Caesars vernichtet worden, die Mehrheit der Archäologen behauptete jedoch, die Stadt sei rechtzeitig gewarnt und die umfangreiche Sammlung in Sicherheit gebracht worden.
Mehr als sechzehn Monate der Nachforschungen hatten Fielding letztendlich hierhergeführt: zum Tempel der Isis auf einer kleinen Insel vor der Küste Ägyptens und in der Nähe Alexandrias.
Fielding sprang in die Vorkammer hinunter, und der dumpfe Laut des Aufpralls auf dem steinernen Boden hallte durch den Raum. Die beiden Ägypter, die er als Helfer angeheuert hatte, folgten ihm und brachten weitere Laternen mit. Das zusätzliche Licht erhellte die Kammer und beleuchtete die Hieroglyphen an den steinernen Wänden. Die farbigen Zeichnungen stellten sowohl die Göttin Isis, die Horus stillte, als auch den erwachsenen Horus dar.
Fielding schritt eine der Wände ab und strich mit der Hand über den kalten Stein. Es musste irgendwo einen Hebel, einen lockeren Stein oder irgendetwas anderes geben, das ihnen einen Zugang zu der nächsten verborgenen Kammer öffnete. Doch er fühlte nichts als glatten Stein. Fielding wusste, dass er so weit wie möglich in die Tiefe vordringen musste. Denn dort würden die Überreste der Bibliothek zu finden sein; vor allem aber - wenn die Gerüchte stimmten - die geheimen Schriften des Sokrates, die ein wertvoller Bestandteil der Sammlung des Aristoteles gewesen waren. An ebendiesen Schriften war Fieldings Auftraggeber ganz besonders interessiert.
Ein sechs Zoll langer schwarzer Skorpion kroch über Fieldings Stiefel und versuchte, einen Weg in sein Hosenbein zu finden. Fielding schüttelte das lästige Tier ab und schleuderte es quer durch den Raum. Seine Helfer sprangen erschrocken zur Seite und drückten sich ängstlich gegen die Wand.
»Wir müssen tiefer hinunter«, erklärte er ihnen in ihrer Muttersprache. Er sprach sie nicht fließend, kannte aber immerhin von früheren Ausgrabungen her genügend Worte, um zurechtzukommen.
Die beiden dunkelhäutigen Männer nickten, machten aber keine Anstalten, sich von der Stelle zu bewegen.
Als Fielding den Boden unter seinen Füßen genauer betrachtete, fiel ihm dort, wo er den Skorpion weggeschleudert hatte, eine leichte Rille im Sand auf. »Ich brauche Wasser.« Er streckte die Hand aus, und einer der Männer, vielleicht der tapferere der beiden, trat vor und reichte ihm die Feldflasche.
Mit der Stiefelspitze schob Fielding noch mehr Sand beiseite und legte ein größeres Stück der Rille frei. Dann kniete er sich hin und goss ein wenig Wasser in die Spalte. Die Flüssigkeit schlug Blasen im Sand und nahm eine hellbraune Färbung an, bevor sie nach unten versickerte. Fielding scharrte noch mehr Sand beiseite und legte sein Ohr an den Boden, ehe er eine größere Menge Wasser nachgoss.
Auch dieses Wasser verschwand in der Spalte, und irgendwo tief unter ihnen konnte Fielding die Tropfen aufschlagen hören.
»Da ist noch eine weitere Kammer unter dieser«, sagte er zu seinen Assistenten. »Sucht nach einer Möglichkeit, sie zu öffnen.« Mit einer ungeduldigen Handbewegung zeigte er auf die beiden Männer, die noch immer ängstlich an der Wand standen. »Scharrt mit den Füßen den Sand beiseite«, befahl er ihnen.
Als sie sich immer noch nicht rührten, sagte er: »Und hört auf, diese lächerliche Angst vor einem Fluch zu haben! Das hier ist ein Tempel, in den Menschen
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