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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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verzehren, dann laßt einen jeden von seiner eigenen Heimat aus um die Fürstin sich mit Brautgeschenken bewerben, und sie wähle den, der ihr am meisten gibt und vom Schicksale begünstigt wird.« Als er seine Rede geendigt hatte, entstand ein langes Schweigen unter den Freiern. Endlich erhob sich Amphinomos, der Sohn des Nisos, aus Dulichion, der Edelste und Bestgesinnte unter den Freiern, der sich durch seine klugen Reden auch der Königin Penelope am meisten zu empfehlen wußte, und sagte seine Meinung in der Versammlung. »Freunde«, sprach er, »ich möchte nicht, daß wir den Telemach heimlich ums Leben brächten! Es ist doch etwas Gräßliches, ein ganzes Königsgeschlecht im letzten Sprößling zu morden. Laßt uns lieber vorher die Götter befragen: erfolgt ein günstiger Ausspruch des Zeus, so bin ich selbst bereit, ihn zu töten; verwehren es uns die Götter, so rate ich euch, von dem Gedanken abzustehen.«
    Solche Rede gefiel den Freiern wohl; sie schoben ihren Plan auf und kehrten in den Palast zurück. Auch diesmal hatte sie ihr Herold Medon, der heimliche Anhänger Penelopes, belauscht und der Königin von allem Nachricht gegeben. Diese eilte, jedoch dicht verschleiert, mit ihren Dienerinnen in den Saal zu den Freiern hinab und redete in heftiger Gemütsbewegung den Urheber des tückischen Vorschlages also an: Antinoos, du frecher Unheilstifter, mit Unrecht rühmt dich Ithakas Volk als den Verständigsten unter deinen Genossen; nie bist du das gewesen. Du verachtest die Stimme der Unglücklichen, auf welche doch Zeus selbst horcht, und bist verwegen genug, auf den Tod meines Sohnes Telemach zu sinnen. Erinnerst du dich nicht mehr, wie dein Vater Eupeithes, von seinen Feinden verfolgt, weil er Seeräuberei gegen unsere Verbündeten getrieben, schutzflehend in unser Haus geflohen kam? Seine Verfolger wollten ihn töten und ihm das Herz aus dem Leibe reißen; Odysseus aber war es, der die Tobenden abhielt und besänftigte. Und du, sein Sohn willst zum Danke das Gut des Odysseus verschwenden, wirbst um seine Gattin und willst sein einziges Kind ermorden? Du tätest besser daran, auch die andern von solchem Frevel abzuhalten!«
    Statt seiner antwortete Eurymachos: »Edle Penelope, sei nicht bekümmert um das Leben deines Sohnes.
    Nie, solange ich lebe, wird es ein Mann wagen, Hand an ihn zu legen. Hat doch auch mich Odysseus manchmal als Kind auf den Knien gewiegt und mir einen guten Bissen in den Mund gegeben! Deswegen ist mir auch sein Sohn der Geliebteste unter allen Menschen; den Tod soll er nicht zu fürchten haben, wenigstens nicht von den Freiern: kommt er von Gott, dann kann ihm freilich niemand ausweichen!« So sprach der Falsche mit der freundlichsten Miene, im Herzen aber sann er auf nichts als Verderben.
    Penelope kehrte wieder in ihr Frauengemach zurück, warf sich aufs Lager und weinte um ihren Gemahl, bis ihr der Schlummer die Augen zudrückte.
    315
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    TELEMACH, ODYSSEUS UND EUMAIOS KOMMEN IN DIE STADT
    An demselben Abende kam der Sauhirt in seine Hütte zurück, während Odysseus und sein Sohn Telemach gerade damit beschäftigt waren, ein geschlachtetes Schwein zur Nachtkost zuzubereiten. Der erstere, vom Stab Athenes berührt, war bereits wieder zum zerlumpten Bettler eingeschrumpft, daß Eumaios ihn nicht zu erkennen vermochte. »Kommst du endlich Sauhirt«, rief dem Eintretenden Telemach zuerst entgegen, »und was bringst du Neues aus Ithaka? Lauern die Freier noch immer auf mich, oder sind sie von ihrem Hinterhalte zurück?« Eumaios meldete ihm, was er von den beiden Schiffen gesehen, und Telemach winkte vergnügt lächelnd seinem Vater, doch so, daß es der Sauhirt nicht bemerkte. Nun schmausten sie traulich miteinander alle drei und legten sich dann zur Ruhe.
    Am andern Morgen frühe gürtete sich Telemach, nach der Stadt zu gehen, und sprach zu Eumaios:
    »Alter, ich muß jetzt nach der Mutter sehen. Du selbst komm nach mit diesem armen Fremdling, daß er sich in den Häusern umher seine Brosamen und seinen Wein erflehe; ich kann unmöglich aller Welt Last auf mich laden und habe genug an meinem eigenen Kummer zu tragen. Hält sich der Greis dadurch für beleidigt, desto schlimmer für ihn!« Odysseus, der sich über die geschickte Verstellung seines Sohnes im Herzen nicht genug wundern konnte, sagte nun auch seinerseits: »Lieber Jüngling, ich selbst begehre nicht länger hierzubleiben; ein Bettler bringt sich in der Stadt immer

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