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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Haushund an der Türe Haupt und Ohren von seinem Lager. Er hieß Argos; Odysseus selbst hatte ihn noch aufgezogen, ehe er gen Troja schiffte. Er begleitete sonst die Männer auf die Jagd, jetzt aber lag er, im Alter verachtet, vor der Türe auf einem Düngerhaufen, mit Ungeziefer bedeckt. Als dieser den Odysseus bemerkte, schien er ihn trotz der Verkleidung zu kennen, er senkte die Ohren und wedelte mit dem Schwanz; aber näher herangehen konnte er vor Schwäche nicht mehr. Odysseus wischte sich heimlich eine Träne aus dem Auge, als er es bemerkte; dann sprach er, seinen Schmerz verhehlend, zu dem Sauhirten: »Der Hund, der hier auf dem Miste liegt, scheint einmal so übel nicht gewesen zu sein, man sieht es seinem Wuchse noch an!« »Freilich«, erwiderte Eumaios, »er war der liebste Jagdhund meines unglücklichen Herrn; da hättest du ihn in den waldigen Tälern sehen sollen, wie weidlich er durchs 317
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Gestrüppe dem Wild nachspürte! Jetzt aber, seit sein Herr dahin ist, liegt er hier verachtet, und die Mägde geben ihm nicht einmal das nötige Futter!«
    Mit diesen Worten ging der Sauhirt in den Palast; der Hund aber, nachdem er im zwanzigsten Jahre seinen Herrn wiedergesehen, senkte seinen Kopf und starb.
    ODYSSEUS ALS BETTLER IM SAAL
    Im Innern des Hauses wurde Telemach zuerst den Sauhirten gewahr und rief ihn heran. Eumaios schaute sich vorsichtig um, ergriff den leeren Stuhl, auf welchem der Fleischzerleger vor dem Mahle zu sitzen pflegte, und setzte sich auf einen Wink an den Tisch seines Herrn, diesem gegenüber, wo ihm sofort der Herold Fleisch und Brot reichte. Bald nach ihm wankte auch Odysseus der Bettler am Stabe herein und setzte sich innerhalb der Pforte auf die Schwelle von Eschenholz nieder, an den einen der schön geschnitzten Türpfosten aus Zypressenholz gelehnt. Sobald Telemach ihn erblickte, langte er aus dem vor ihm stehenden Korb ein ganzes Brot, nahm dazu eine Handvoll Fleisch und gab beides dem Sauhirten mit den Worten:
    »Hier, mein Freund, reiche diese Gaben dem Fremdling, und sag ihm, er soll sich der Scham entschlagen und bei den Freiern herumbetteln!« Odysseus empfing die Gabe segnend mit beiden Händen, legte sie sich vor die Füße auf seinen Ranzen und fing an zu essen. Das ganze Mahl über hatte der Sänger Phemios die Gäste mit seinem Lied ergötzt; jetzt schwieg er, und man hörte nur noch den wilden Lärm der Schmausenden durch den Saal. In diesem Augenblicke näherte sich die Göttin Athene unsichtbar dem Odysseus und trieb ihn an, Brocken von den Freiern einzusammeln, um die billiger denkenden von den rohen unterscheiden zu lernen. Aber dennoch war ihnen allen miteinander das Verderben von der Göttin zugedacht: es sollte nur einer milderen Todes sterben als der andere. Odysseus befolgte das Geheiß der Göttin, er ging flehend von Mann zu Mann und streckte seine Hand hin, so geläufig, als wäre er seit lange den Bettel gewohnt. Manche zeigten sich mitleidig und gaben ihm, und es entstand ein Fragen unter den Freiern, woher der Mann wohl kommen möge. Da sagte zu ihnen der Ziegenhirt Melanthios: »Ich habe den Burschen zuvor schon gesehen, der Sauhirt hat ihn hereingebracht.« Diesen fuhr jetzt der Freier Antinoos zornig an: »Du berüchtigter Sauhirt, sag uns, warum hast du diesen Menschen in die Stadt geführt? Haben wir nicht Landstreicher genug, daß du uns auch noch diesen Fresser in den Saal schleppst?« »Harter Mann«, antwortete Eumaios gelassen, »den Seher, den Arzt, den Baumeister, den Sänger, der uns durch seine Lieder erfreut, sie alle beruft man wetteifernd in die Paläste der Großen; den Bettler hat niemand berufen: er kommt von selber; aber man stößt ihn auch nicht hinaus! Und das soll auch diesem nicht geschehen, solange Penelope und Telemach dies Haus bewohnen.« Aber Telemach hieß ihn schweigen und sagte: »Bemühe dich mit keiner Antwort, Eumaios; du kennst ja die böse Gewohnheit dieses Mannes, andere zu beleidigen.
    Dir aber, Antinoos, sage ich: Du bist nicht mein Vormund, daß du mir gebieten dürftest, diesen Fremdling aus dem Hause zu treiben. Gib ihm vielmehr und schone meines Gutes nicht! Aber freilich, du willst lieber selbst verzehren als andern geben!« »Siehe da, wie der trotzige Knabe mich schmäht!« rief Antinoos dagegen; »wollte jeder Freier diesem Bettler eine Gabe reichen, er brauchte drei Monate lang das Haus nicht wieder zu betreten!« Damit ergriff er seinen Fußschemel,

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