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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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ergreifen können, wenn jene in der Verblendung, die ihnen die Götter senden werden, sich an uns wagen. Übrigens darf kein Mensch vernehmen, daß Odysseus zurückgekehrt ist, selbst Laërtes, selbst der Sauhirt nicht, ja nicht einmal Penelope, deine Mutter. Unterdessen wollen wir unsere Dienstmannen und das Gesinde prüfen, wer davon uns noch ehrt und fürchtet und wer unser vergessen hat und dich verachtet.« »Lieber Vater«, erwiderte Telemach, »du sollst mich gewiß nicht nachlässig finden; aber ich glaube nicht, daß die Prüfung viel helfen wird. Es währt gar zu lange, bis du im Lande umhergehst, um jeden einzelnen auszuforschen, indessen jene dir im Palaste gemächlich dein Gut verprassen. Zwar die Weiber im Hause auszukundschaften, das will ich selbst übernehmen; aber die Männer in den einzelnen Höfen – das versparen wir lieber für die Zukunft, wenn wir einmal im Palaste Meister sind.« Odysseus gab seinem Sohne recht und freute sich über seine Besonnenheit.
    VORGÄNGE IN DER STADT UND IM PALAST
    Das Schiff, das den Telemach und seine Genossen von Pylos nach Ithaka gebracht hatte, war inzwischen im Hafen der Stadt angekommen, und die Begleiter des Königssohnes hatten einen Herold zu seiner Mutter Penelope gesendet, um ihr die Botschaft von der Heimkehr des Sohnes zu überbringen. Mit derselben Nachricht kam gleichzeitig der Sauhirt vom Lande her, und beide trafen sich im Hause des Königes. Da sprach der Herold zu Penelope laut vor allen Dienerinnen: »Dein Sohn, o Königin, ist wiedergekommen.«
    Eumaios aber sagte ihr im geheim und ohne Zeugen, was ihm sein junger Herr aufgetragen hatte, insbesondere, daß sie durch eine Schaffnerin seinem Großvater Laërtes die fröhliche Botschaft auch 314
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    zukommen lassen möchte. Als der Sauhirt alles ausgerichtet, eilte er wieder heim zu seinen Schweinen. Die Freier aber erfuhren die kurze Nachricht von der Heimkehr Telemachs, die der Herold gebracht hatte, durch die treulosen Dienerinnen. Unmutig setzten sie sich zusammen auf die Bänke vor dem Tor, und Eurymachos sprach hier in der Versammlung: »Das hätten wir doch nimmermehr gedacht, daß der Knabe diese Fahrt so trotzig vollenden würde! Laßt uns nur geschwind ein Schiff ausrüsten, einen Schnellsegler, unsern Freunden im Seehinterhalte die Botschaft zu bringen, daß sie vergebens auf ihn warten und nur wieder umkehren dürfen.«
    Während Eurymachos sprach, hatte ein anderer Freier, Amphinomos, das Gesicht umgewandt und einen Blick auf den Hafen der Stadt geworfen, den man von dem Vorhofe des Palastes aus mit den Augen erreichen konnte. Er sah das Schiff, in welchem sich diejenigen der Freier befanden, die auf den Hinterhalt ausgefahren waren, wie es eben mit vollen Segeln in den Hafen einlief. »Es bedarf keiner Botschaft an unsere Freunde«, rief er, »hier sind sie ja schon; sei es, daß ein Gott sie von Telemachs Heimkehr benachrichtiget hat, sei es, daß er ihnen entkommen ist und sie ihn nicht einzuholen vermochten.« Die Freier erhoben sich und eilten nach dem Meeresstrande. Dann begaben sie sich mit den Neuangekommenen auf den Markt, wo sie niemand sonst aus dem Volke zuließen, sondern ihre abgesonderte Versammlung veranstalteten. Hier trat der Anführer der Ausrüstung, der Freier Antinoos, unter den Anwesenden auf und sprach: »Wir sind nicht schuld, daß der Mann uns entronnen ist, ihr Freunde! Späher um Späher hatten wir den Tag über auf den Höhen des Gestades aufgestellt, und wenn die Sonne untergegangen war, blieben wir nie die Nacht über auf dem Lande, sondern wir kreuzten beständig auf der Meerenge und waren nur darauf bedacht, den Telemachos zu erhaschen und in aller Stille umzubringen. Ihn aber muß einer der Unsterblichen heimgeleitet haben; denn nicht einmal sein Schiff ist uns zu Gesichte gekommen! Dafür wollen wir ihm hier in der Stadt selbst den Untergang bereiten. Denn der Jüngling wird klug und wächst uns allmählich über den Kopf. Auch das Volk wird uns am Ende aufsässig; bringt er es unter die Leute, daß wir ihm auflauerten, ihn zu morden, so fallen sie am Ende über uns her und jagen uns aus dem Lande. Ehe dies geschieht, laßt uns ihn aus dem Wege räumen; in seine Besitzungen teilen wir uns; den Palast lassen wir der Mutter und ihrem künftigen Gemahl. Gefällt euch aber mein Gedanke nicht, wollt ihr ihn leben und im Besitze seiner Güter lassen, nun, dann wollen wir ihm auch die Habe nicht länger

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