Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
Vom Netzwerk:
Wahrheit sei!« So schluchzte Penelope, und Odysseus vernahm die Stimme der Weinenden. Es war ihm ganz bange, vor der Zeit erkannt zu werden. Eilig raffte er sich auf, verließ den Palast, und unter freiem Himmel betete er zu Zeus um ein günstiges Zeichen für seine Pläne. Da erschien ein gewaltiges Licht am Himmel, und ein plötzlicher Donner rollte über dem Palaste hin. In der nahen Mühle des Palastes hielt eine Müllerin still, die die ganze Nacht durch gemahlen, blickte zum Himmel empor und rief. »Wie doch Zeus donnert, und ist weit und breit kein Gewölk zu sehen! Er hat wohl irgendeinem Sterblichen ein Zeichen gewährt! O Vater der Götter und Menschen, möchtest du auch meinen Wunsch erfüllen und die verfluchten Freier vertilgen, die mich Tag und Nacht in der Mühle das Mehl zu ihren Schmäusen bereiten lassen!«
    Odysseus freute sich der guten Vorbedeutung und kehrte in den Palast zurück.
    Hier wurde es allmählich laut, die Mägde kamen und zündeten das Feuer auf dem Herd an; Telemach warf sich in die Kleider, trat an die Schwelle der Frauengemächer und rief der Pflegerin mit verstellten Worten: »Mütterchen, habt ihr den Gast auch mit Speise und Lager geehrt, oder liegt er unbeachtet da? Die Mutter scheint mir ganz die Besinnung verloren zu haben, daß sie den schlechten Freiern soviel Ehre erweist und den besseren Mann ungeehrt läßt!« »Du tust meiner Herrin unrecht«, antwortete Eurykleia, »der Fremdling trank so lange und so viel Wein, als ihm beliebte, und Speise verlangte er auch keine mehr. Man bot ihm ein köstliches Lager an, aber er verschmähte es; mit Mühe ließ er sich ein schlechteres gefallen.«
    Nun eilte Telemach, von seinen Hunden begleitet, auf den Markt in die Volksversammlung. Die Schaffnerin aber befahl den Mägden, alles zu dem bevorstehenden Schmause des Neumondfestes zuzubereiten; und nun legten die einen purpurne Teppiche auf die schmucken Sessel, andere scheuerten die Tische mit Schwämmen, wieder andere reinigten die Mischkrüge und die Becher, und ihrer zwanzig eilten an den Quellbrunnen, Wasser zu schöpfen. Auch die Diener der Freier kamen heran und spalteten Holz in der Vorhalle. Der Sauhirt kam mit den fettesten Schweinen herbei und grüßte seinen alten Gast aufs freundlichste. Melanthios mit zwei Geißhirten brachte die auserlesensten Ziegen, die von den Knechten in der Halle angebunden wurden. Dieser sprach im Vorübergehen zu Odysseus mit höhnischem Ton: »Alter Bettler, bist du immer noch da und weichst nicht von der Türe? Wir nehmen wahrscheinlich nicht Abschied voneinander, bevor du meine Fäuste gekostet! Gibt es denn gar keine anderen Schmäuse, denen du nachzuziehen hast?« Odysseus erwiderte auf diese Schmähworte nichts, sondern schüttelte nur das Haupt.
    Nun betrat ein ehrlicher Mann der Palast; es war Philötios, der den Freiern ein Rind und gemästete Ziegen zu Schiffe herbeigebracht hatte. Dieser sprach im Vorübergehen zu dem Sauhirten: »Eumaios, wer ist doch der Fremdling, der jüngst in dieses Haus kam? Er gleicht an Gestalt ganz und gar unserm Könige Odysseus. Geschieht es doch wohl, daß das Elend auch einmal Könige zu Bettlern umgestaltet!« Dann nahte er sich dem verkleideten Helden mit einem Handschlage und sprach: »Fremder Vater, so unglücklich du scheinest, so möge es dir wenigstens in Zukunft wohlergehen! Mich überlief der Schweiß, als ich dich sah, und Tränen traten mir in die Augen, denn ich mußte an Odysseus gedenken, der jetzt wohl auch, in Lumpen gehüllt, in der Welt umherirrt, wenn er anders noch lebt! Schon als Jüngling hat er mich zum Hüter seiner Rinder gemacht, deren Zucht vortrefflich gedeiht, leider aber muß ich sie andern zum Schmause daherführen! Auch wäre ich längst vor Ärger aus diesem Lande geflohen, wenn ich nicht immer noch hoffte, Odysseus kehre dereinst zurück und jage diesen Schwarm auseinander.« »Kuhhirt«, erwiderte ihm Odysseus, »du scheinst kein schlechter Mann zu sein; ja beim Zeus schwöre ich dir, heute noch, und solange du im Palaste bist, kehrt Odysseus heim, und deine Augen werden es schauen, wie er die Freier abschlachtet!« »Möchte Zeus es wahr machen«, sagte der Rinderhirt; »meine Hände sollten auch dabei nicht feiern!«
    DER FESTSCHMAUS
    Die Freier, nachdem sie in ihrer Versammlung sich über Telemachs Ermordung besprochen, kamen allmählich auch im Palaste an. Sie legten ihre Mäntel ab, die Tiere wurde geschlachtet, gebraten und verteilt; Diener mischten den Wein in

Weitere Kostenlose Bücher