Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
Vom Netzwerk:
gewaffnet wie er war, ins Meer. Aber Juno trieb die Wellen ihm entgegen. Der Strom nahm ihn mit sich fort; und erst bei seiner Vaterstadt Ardea spülten ihn die Wellen ans Land.
    Die Schlacht vor den Lagermauern wütete fort. Die Trojaner waren im Vorteile und jauchzten. Aber der vertriebene König von Agylla, der Etrusker Mezentius, der wildeste Bundesgenosse der Rutuler, der bisher bei der Hinterhut gehalten hatte, brach jetzt vor und stürzte sich auf die Feinde. Als die Etrusker ihren Todfeind herankommen sahen, stürmten sie in ihrem alten Hasse alle auf den einen los und bedrängten ihn von allen Seiten mit ihren Geschossen. Er aber stand wie ein Fels im Meere fest und streckte Etrusker und Phrygier, wer ihm nahte, zu Boden. Bald war der Kampf wieder ins Gleiche gesetzt; schon konnten sich die Trojaner nicht mehr Sieger nennen. Mezentius hatte eine Gasse in die Feinde gebrochen, und furchtbar schritt seine hohe Gestalt in den mächtigen Waffen einher. Da ward Äneas, der inzwischen auf der andern Seite des Treffens getobt hatte, den furchtbaren Feind aus der Ferne gewahr, ließ plötzlich vom Gefechte ab und kehrte sich ihm entgegen. Dieser aber hemmte seinen Schritt auf Schußweite von seinem Gegner, ergriff mit der Linken die Hand seines Sohnes Lausus, der ihm schon lang an der Seite gestritten hatte, hob mit der Rechten den Wurfspieß, schwenkte ihn in den Lüften und rief: »Wohlan, du mein Arm, der du von jeher mein Gott warst, denn ich kenne keinen andern, und du mein Speer, jetzt gilt's! Du aber, mein Sohn Lausus, sollst das lebendige Siegeszeichen über diesen Räuber werden, wenn du mir in der erbeuteten Prachtrüstung desselben prangest!« Nun warf er den zischenden Wurfspieß seinem Gegner zu; dieser aber prallte vom Schilde des Äneas zurück und traf den Antores, einen edlen argivischen Auswanderer, der mit Euander nach Italien gekommen war und nun zusammensinkend seinem fernen griechischen Vaterlande einen Seufzer der Sehnsucht zuschickte. Darauf schleuderte auch Äneas seinen Speer ab. Der durchbohrte den dreifachen Erzschild des Feindes und fuhr diesem in die Weiche. Als Äneas das Blut des Etruskers fließen sah, riß er erfreut sein Schwert von der Hüfte und drang wütend auf den Bebenden ein. Gespießt von der Lanze und entkräftet, zog sich Mezentius mit dem durchbohrten Schilde zurück. Tränen rollten seinem guten Sohne Lausus aus den Augen, als er den Vater verwundet sah; er brach mit seinem Schilde vor und lief dem Trojaner, der schon mit seiner Rechten zum tödlichen Streich ausholte, unter die drohende Klinge, indem er dem Vater die Schutzwaffe vorhielt. Ihm folgten seine Genossen mit großem Geschrei, und alle schleuderten Geschosse, so daß Äneas mitten in seinem Grimm stillehalten und sich mit seinem Schilde bedecken mußte. Von Lanzen umhagelt, rief er dem Lausus zu: »Wahnsinniger, was rennest du in den Tod?
    Deine Liebe betrügt dich über deine Kräfte!« Als aber Lausus nicht wich, verdoppelte sich der Grimm des Helden, und nun rannte ihm Äneas das Schwert, tief eintauchend, mitten durch den Leib; es hatte den Weg ohne Mühe durch den leichten Schild und den goldgestickten Rock des Jünglings, das Kunstwerk der zärtlichen Mutter, gefunden. Aber als Äneas in das erbleichende Antlitz des sterbenden Knaben sah, da erbarmte ihn sein, und das Bild der kindlichen Liebe durchbebte sein eigenes Vaterherz. Er reckte die Hand nach dem Sinkenden aus und rief. »Unglückseliger Jüngling, du hättest eine bessere Gabe von mir für dein rühmliches Tun verdient! Deine leichte Rüstung und dein Goldkleid, dessen du dich freutest, soll nicht von dir genommen werden. Wie du bist, sollst du bei deinen Vätern schlafen dürfen, und so wenigstens sollst du innewerden, daß du einem großmütigen Feind erlegen bist!« So sprach Äneas, hob ihn selbst von der Erde empor, daß das schmucke Lockenhaar nicht von Staub und Blute besudelt würde, und ermahnte seine erschrockenen Genossen, den Leichnam in Empfang zu nehmen.
    Der verwundete Mezentius hatte sich indessen an den Tiberstrand gerettet und stillte, an einen 369
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Uferbaum gelehnt, das Blut seiner Wunde mit dem Wasser des Flusses. Sein eherner Helm hing an einem Aste; seine schwere Rüstung lag im Grase; junge, erlesene Streitgenossen standen um ihn her; er selbst, schwach und keuchend, stützte sich das Haupt mit der Hand, und sein hangender Bart fiel ihm auf die Brust herab. Gar oft

Weitere Kostenlose Bücher