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Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben

Titel: Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Meadows
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KAPITEL 1
Schnee
    Ich bin nicht wiedergeboren.
    Als ich begriff, wie sehr mich das von allen anderen unterschied, war ich fünf. Es war die Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche im Jahr der Seelen, die Seelennacht, in der sich die Leute erzählen, was sie vor drei Leben gemacht haben. Vor zehn Leben. Zwanzig. Kämpfe gegen Drachen, die Entwicklung der ersten Laserpistole und der vier Leben währende Versuch von Cris, eine Rose in reinstem Blau zu züchten, nur um dann von allen zu hören, sie sei purpurn.
    Niemand machte sich die Mühe, mit mir zu reden, daher sprach ich kein Wort – kein einziges –, hörte jedoch gut zu. Sie hatten alle schon einmal gelebt, hatten gemeinsame Erinnerungen, hatten Leben, auf die sie sich freuen konnten. Sie tanzten um die Bäume und das Feuer, tranken, bis sie vor Lachen umfielen, und als es Zeit war, den Dank für die Unsterblichkeit zu singen, schauten einige zu mir herüber, und auf der Lichtung herrschte eine so unheimliche Stille, dass man den meilenweit entfernten Wasserfall auf die Felsen donnern hörte.
    Li brachte mich nach Hause, und am nächsten Tag besann ich mich auf alle Wörter, die ich kannte, und bildete einen Satz. Alle anderen erinnerten sich an hundert frühere Leben. Ich konnte das nicht und musste wissen, warum.
    »Wer bin ich?« Meine ersten gesprochenen Worte.
    »Niemand«, sagte sie. »Eine Seelenlose.«

     
    Ich ging fort.
    Es war mein achtzehnter Geburtstag, nur wenige Wochen nach der Jahreswende.
    Li sagte: »Gute Reise, Ana«, doch ihre Miene war versteinert, und ich bezweifelte, dass sie es aufrichtig meinte.
    Das Jahr der Dürre war das schlimmste meines Lebens gewesen, voll aufgestautem Zorn und Ärger. Das Jahr des Hungers hatte nicht viel besser begonnen, aber jetzt war mein Geburtstag, und ich hatte einen Rucksack voller Verpflegung und Ausrüstung und die Aufgabe herauszufinden, wer ich war und warum ich existierte. Die Möglichkeit, den feindseligen Blicken meiner Mutter zu entkommen, war ein positiver Nebeneffekt.
    Ich sah über die Schulter zum Purpurrosenhaus zurück, wo Li, groß und schlank, vor der Tür stand. Zwischen uns wirbelten Schneeflocken.
    »Auf Wiedersehen, Li.« Mein Abschied gefror wie Nebel in der kalten Luft, als ich den Rucksack schulterte. Es war Zeit, dieses abgelegene Haus zu verlassen und die anderen kennen zu lernen. Von seltenen Besuchern abgesehen kannte ich niemanden außer meiner schlangenherzigen Mutter. Der Rest der Bevölkerung lebte in der Stadt, in Heart.
    Der Gartenpfad wand sich zwischen den reifbedeckten Tomatenranken und Kürbissen den Hügel hinab. Ich zog den Wollmantel enger um mich, während ich die Frau zurückließ, die mich zur Strafe jedes Mal tagelang hungern ließ, wenn ich eine Pflicht nicht richtig erfüllt hatte. Von mir aus durfte es das letzte Mal sein, dass ich sie sah.
    Unter meinen Stiefeln knirschten Kies und Eis. Ich behielt die Fäuste in den Taschen und biss die Zähne gegen die Kälte zusammen. Lis durchdringender Blick verfolgte mich den ganzen Weg den Hügel hinunter, stechend wie die Eiszapfen, die vom Dach hingen. Es spielte keine Rolle. Ich war jetzt frei.

    Am Fuß des Hügels wandte ich mich nach Heart. In der Stadt würde ich meine Antworten finden.
    »Ana!« Li winkte auf der Türschwelle mit einem kleinen Metallgegenstand. »Du hast den Kompass vergessen.«
    Ich stieß einen Seufzer aus und stapfte wieder zurück. Sie würde ihn mir nicht bringen, und es überraschte mich nicht, dass sie gewartet hatte, bis ich unten am Fuß des Hügels war, bevor sie mich an meine Nachlässigkeit erinnerte. Als ich zum ersten Mal meine Tage bekommen hatte, war ich aus der Toilette gerannt und hatte geschrien, dass ich verblute. Sie hatte gelacht und gelacht, bis ihr klar geworden war, dass ich tatsächlich gedacht hatte, ich würde sterben. Daraufhin war sie erst recht in schallendes Gelächter ausgebrochen.
    »Danke.« Der Kompass schmiegte sich in meine Hand, und ich steckte ihn in meine vordere Tasche.
    »Nach Heart sind es vier Tage nach Norden. Sechs bei diesem Wetter. Verlauf dich nicht, denn ich werde dich nicht suchen gehen.« Sie schlug mir die Tür vor der Nase zu und schnitt den warmen Luftstrom von der Heizung ab.
    Verborgen vor ihren Blicken streckte ich ihr die Zunge heraus, dann berührte ich die geschnitzte Rose in der Eichentür. Dies war das einzige Zuhause, das ich je gekannt hatte. Nach meiner Geburt hatte Menehem, Lis Geliebter, unser Reich verlassen. Die Demütigung,

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