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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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Dienern und teilnehmenden Trojanern und Trojanerinnen mit aufgelöstem Haar umstand und der in einer bedeckten Halle der Lagerburg untergebracht war. Als Äneas durch die Pforte trat, erhob sich lautes Stöhnen; alle Anwesenden schlugen an die Brust, und die Burg dröhnte von Jammer. Wie nun Äneas das Haupt des Pallas mit dem blassen Angesichte auf dem Polster erblickte und in der jugendlichen Brust die offene Speerwunde, da rief er, indem ihm die Tränen aus den Augen hervorquollen: »Unglückseliger Knabe, hat dir das trügerische Glück, das dich so schmeichlerisch begleitete, nicht vergönnt, das Reich, das du deinen Freunden gründen halfest, zu schauen, um als Sieger in die Heimat zurückzukehren! Nicht solches habe ich deinem Vater Euander versprochen, als er mich beim Scheiden umarmte und sprach: ›Hüte dich, du gehst in den Kampf mit einem streitbaren und harten Volk!‹ Weh uns, vielleicht bringt jetzt, da wir deinen Leichnam bestatten, dein Vater den Göttern Gelübde für dich dar!« So sprach er weinend und befahl, die Leiche auf ein Geflecht von Eichenzweigen zu legen und ins Lager zu tragen. Dort ward der Jüngling auf einem hohen Grashügel mitsamt der Tragbahre niedergelassen und lag da nun wie ein gepflücktes Veilchen oder eine welkende Hyazinthenblüte, von welcher Schönheit und Farbenschimmer noch nicht ganz gewichen sind. Äneas selbst brachte zwei purpurne, mit Gold durchwobene Feiergewande, von Didos eigener Hand gewirkt, herbei: in das eine hüllte er den Leib des Jünglings, das andere schlang er um sein Lockenhaupt. In diesem Schmucke sollte der Tote seinem Vater nach Pallanteum zurückgeschickt werden.
    Dem Zuge schlossen sich erbeutete Gefangene, Pferde mit Waffen beladen, Acötes, der alte Diener des Jünglings, der sich das Haar zerraufte und die Brust mit Fäusten schlug, und zuletzt Athon, das Streitroß des Königssohnes, an, das mit gesenktem Kopf einherschritt und Tränen vergoß wie ein Mensch. Dann kamen die Fürsten der Etrusker und Arkadier und ein Trauergefolge von Trojanern, alle mit gesenkten Waffen.
    Äneas sah dem Zuge der Begleitenden nach, bis er aus seinen Augen verschwand, rief dem Toten ein letztes Lebewohl zu und kehrte wieder in das Lager zurück.
    Indessen waren aus der Stadt des Latinus Gesandte mit Ölzweigen in der Hand angekommen und flehten um die Erlaubnis, die Leiber der Ihrigen bestatten zu dürfen. Diesen erwiderte Äneas voll Huld, indem er ihnen ihre Bitte sogleich gewährte: »Welche Verblendung, ihr Latiner, hat euch unsere Freundschaft verschmähen lassen und in diesen großen Krieg verwickelt? Ihr begehret Frieden für eure Toten? Wie gerne gewährte ich ihn auch den Lebenden! Auch wäre ich gewiß eurem Lande niemals genaht, wenn dieser Wohnplatz mir nicht durch das Schicksal angewiesen worden wäre. Dazu führe ich keineswegs Krieg mit eurem Volke. Nicht dieses, nur euer König hat unsern Bund verschmäht und sich lieber den Waffen des Turnus anvertraut. Will Turnus den Krieg mit der Faust enden, will er die Trojaner durchaus nicht in dem Lande dulden, nun, so werfe er sich in seine Rüstung und kämpfe mit mir, Mann für Mann. Behalte dann recht, wem ein Gott und seine Faust das Leben verleiht. Jetzt aber gehet und legt eure armen Mitbürger auf den Scheiterhaufen.«
    Als die Gesandten so milde Worte aus dem Munde des Trojanerfürsten hörten, sahen sie, schweigend vor Staunen, einander an. Endlich sprach der greise Drances, von jeher ein Feind des Turnus: »Held von Troja, was soll ich mehr an dir bewundern, deine kriegerische Tugend oder deine Gerechtigkeit? Wir gehen, voll Dank unserer Vaterstadt deine Willensmeinung zu verkünden und, wenn es möglich ist, den König Latinus mit dir zu versöhnen.« Alle Gesandten bestätigten diese Rede mit ihrem Beifallrufe. Es wurde ein Waffenstillstand auf zwölf Tage geschlossen, und nun schweiften im Schutze desselben Latiner und Trojaner durcheinander ungefährdet auf den waldigen Berghöhen umher; die Esche, die Fichte sank unter dem 371
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Streiche der Axt; die Eiche, die Zeder, die Buche wurde mit Keulen gespalten, und seufzende Wagen, schwer mit Holz beladen, fuhren der Stadt der Latiner zu.
    Inzwischen war das Gerücht von dem Tode des Pallas zur Stadt des Euander gedrungen, die bisher nur von den Siegen ihres Königssohnes vernommen und geträumt hatte. Unaussprechliche
    Niedergeschlagenheit bemächtigte sich des Königs und aller Bürger.

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