Ein Sehnen Im Herzen
Hewlett-Packard
Prolog
London, Mai 1832
E r kam zu spät.
Das sah ihm nicht ähnlich. Der Earl von Denham kam niemals zu spät. Seine mit Smaragden besetzte goldene Taschenuhr, im vergangenen Jahr in Zürich zu einem, wie Emma vermutete, fürstlichen Preis erworben, ging auf die Minute genau. Er stellte sie nach den Zeigern der großen Uhr von Westminster, und diese Zeiger gaben weiß Gott immer die richtige Zeit an.
Außerdem ging der Earl von Denham nach dem Tee regelmäßig in seine Bibliothek, um sich zu vergewissern, ob Nachrichten für ihn eingetroffen waren.
Wo steckte er bloß?
Wenn James sich verspätete, dann nur deshalb, weil jemand seinen festen Tagesablauf unterbrochen hatte. Und Emma hatte nicht den leisesten Zweifel, wer dieser Jemand sein konnte.
Schön und gut für Penelope. Sollte sie sich dem Earl ruhig an den Hals werfen, wenn es ihr gefiel. Heute Morgen beim Frühstück hatte Penelope Emma anvertraut, dass sie die Absicht habe, noch an diesem Tag ihr Glück zu versuchen.
»Und wenn er im Moment noch nicht ans Heiraten denkt, werde ich ihm den Gedanken eben in den Kopf setzen«, hatte Penelope ihr zugeraunt, während ihre Eltern, Emmas Onkel und Tante, sich über ihr Rührei beugten. Die beiden litten an Kopfschmerzen, da sie am Vorabend bei Lady Ashforths Ball dem Champagner zu kräftig zugesprochen hatten. »Verlass dich drauf«, hatte Penelope hinzugefügt.
Emma zweifelte nicht daran, dass Penelope im Stande war, jeden Mann dazu zu bringen, ans Heiraten zu denken. Schließlich war ihre Cousine mit Schönheit gesegnet. Nicht, dass Emma unansehnlich gewesen wäre. Nein, sie wusste, dass auch sie hübsch war... zumindest passabel.
Aber Penelope hatte schwarzes glattes Haar, die Glückliche, und die funkelnden dunklen Augen einer Spanierin, während Emma mit ganz gewöhnlichen blauen Augen und blondem Haar gestraft war, das sich hartnäckig weigerte, sich glätten zu lassen. Es kräuselte sich ungebärdig und wirkte dadurch um einiges kürzer, als es tatsächlich war. Abgesehen davon war Penelope mit ihren eins siebzig im Gegensatz zu Emma, die mit ihrer Größe bei knapp eins fünfundfünfzig lag, eine wirklich eindrucksvolle Erscheinung. Kein Wunder also, dass die schmächtige Emma in der Familie immer noch als Baby angesehen wurde. Sie sah aus wie eine Puppe und wurde auch so behandelt.
Aber bald nicht mehr. Nach heute nicht mehr. Nicht, nachdem sie James mitgeteilt hatte, was sie ihm mitteilen musste.
Sie verübelte es Penelope nicht, dass sie vorhatte, sich den Earl zu schnappen. Ganz und gar nicht. Emma hatte durchaus Verständnis für diesen Wunsch. James Marbuiy, dunkel und attraktiv und noch dazu schwer reich, war einer der begehrtesten Junggesellen von ganz London. Für die Damen der ersten Kreise war es geradezu ein Ärgernis, dass es ihm bisher gelungen war, dem Ehejoch zu entkommen.
Aber lange würde er seine Freiheit nicht mehr genießen, davon war Emma überzeugt. Nicht, nachdem Penelope es sich in den Kopf gesetzt hatte, Lady Denham zu werden. Kein Mann, nicht einmal ein so überzeugter Junggeselle wie der Earl von Denham, konnte Penelope Van Courts Reizen widerstehen.
Emma wünschte nur, ihre Cousine würde sich damit beeilen, diese Reize spielen zu lassen. Es musste einen recht eigenartigen Eindruck machen, dass sich beide Cousinen so kurz, nachdem der Earl selbst gegangen war, auch aus dem Salon von Lady Denham, der Gräfinwitwe, zurückgezogen hatten. Emma fragte sich, ob sich Stuart und seine Tante, Lady Denham, wohl vernachlässigt fühlten. Nun, Stuart würde ihr sicher verzeihen, wenn er das Ergebnis ihrer Unterredung erfuhr... ein sensationelles Ergebnis, davon war sie überzeugt.
In diesem Moment öffnete sich die Tür zur Bibliothek des Earls von Denham. Emma sprang von dem Diwan auf, auf den sie sich gesetzt hatte, und glättete die schimmernde blaue Seide ihres Kleides. Seltsam, aber bis jetzt war sie wegen der bevorstehenden Unterredung nicht nervös gewesen, kein bisschen. Warum auch? Zugegeben, wenn sie mit James über ihre Pläne sprach, handelte sie in krassem Widerspruch zu Stuarts Wünschen ...
Emma hatte das Gefühl, dass Stuart nicht ganz gerecht war, wenn es um James ging. Stuart fand, dass sein Cousin James, so sehr er ihn auch mochte, ein Verschwender und ein Zyniker war. Und es traf zu, dass der Earl Unsummen seines märchenhaften Vermögens für Dinge wie Schweizer Taschenuhren und den einen oder anderen Vollblüter ausgab.
Aber es war
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