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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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erlagen den Geschossen der siegreichen Gegner vor den Toren.
    Unterdessen drang die Schreckenskunde auch zu Turnus in das dunkle Waldtal; denn Akka suchte ihn in seinem Hinterhalte auf und brachte ihm von dem Tod ihrer Herrin und der verlornen Schlacht unzweifelhafte Nachricht. Von Wut und Schmerz im Innersten zerrissen, verließ er auf der Stelle das Gehölz und stürmte nach der Ebene hinab. Kaum hatte er sein Versteck verlassen, als Äneas vom Gebirge her in die Schluchten des Tales mit den Seinigen sorglos eingedrungen kam und bald aus der finstern Waldung heraustretend auf der Ebene vor der Stadt sichtbar wurde. Da sah er den Heerhaufen des Turnus vor sich her ziehen. Auch dieser hörte Heerestritt und Roßgeschnaube hinter sich, erkannte umgewandt den grimmigen Äneas und stellt sich in Schlachtordnung ihm gegenüber auf. Wäre nicht die Sonne schon im Sinken gewesen, auf der Stelle hätten beide Heere den Kampf der letzten Entscheidung ausgefochten.
    UNTERHANDLUNG. VERSUCHTER ZWEIKAMPF. FRIEDENSBRUCH. ÄNEAS MEUCHLERISCH VERWUNDET
    Als Turnus sah, daß die Latiner, von den Feinden gedemütigt, ihre Blicke alle auf ihn allein richteten und ihn an sein Versprechen zu erinnern schienen, überflog eine Schamröte sein Gesicht, und sein Herz schlug ihm stolzer in der Brust. Wie ein verwundeter Löwe sich aufs neue ernstlich zur Wehr setzt, die zottige Mähne fröhlich schüttelt und den Speer des Jägers, der ihm im Leibe sitzt, zerbricht, mit den blutigen Zähnen dazu knirschend, so entbrannte der Ungestüm des hohen Jünglings wieder. Er trat vor seinen Schwiegervater Latinus und sprach: »An mir soll der Verzug nicht liegen, wenn nur die feigen Trojaner ihr gegebenes Wort nicht brechen! Laß Opfertiere herbeischaffen, Vater, und schließe den Bund! Entweder schickt mein Arm heute noch den asiatischen Flüchtling zum Orkus hinunter und rächt unsere Schande, oder ich erliege seinem Schwert, und er mag deine Tochter Lavinia als Gattin heimführen!« Ihm antwortete Latinus mit ruhigem Herzen: »Je mehr du an trotziger Tapferkeit alle besiegest, hochherziger Jüngling, desto mehr ist es meine Pflicht, dich zu beraten und alle Glücksfälle des Schicksals sorgfältig zu überlegen. Von Daunus, deinem Vater her ist ein großes Reich dein, und du hast ihm manche Stadt durch Eroberung hinzugefügt. Gold und Gunst wird dir durch Latinus zuteil. Latium hat noch genug andere Bräute, die auch nicht unedlen Stammes sind. Laß mich dir die ganze Wahrheit sagen, so schmerzlich sie dir auch sein mag: Einem von den vorigen Freiern meine Tochter zu geben, verhinderte mich der Warnungsspruch von Göttern und Menschen; dir zulieb aber, getrieben durch die Verwandtschaft, durch die Tränen meiner Gemahlin, überwand ich alle Zweifel, nahm dich zum Eidam an und habe mich in diesen ungesegneten Krieg eingelassen. Unser Schicksal siehest du. Du allein stehest dem Frieden im Wege. Entsage meiner Tochter und verlange nicht von mir, das erst auf den zweifelhaften Ausgang eines Zweikampfes ankommen zu lassen, was du mir sogleich als Gewißheit zu gewähren vermagst! Denk an das ungetreue Kriegsglück!
    Erbarme dich auch deines bejahrten Vaters, den der Gram um dich in deiner Vaterstadt Ardea verzehrt.«
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    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    Aber keine Worte vermochten den Rutuler umzustimmen, ja er wurde durch diese sanfte Rede nur noch wilder entflammt. Nicht einmal die Bitten, die Tränen und Umarmungen der Königin wirkten auf sein Herz.
    Da kam endlich, von den Wehklagen ihrer Mutter aufgeschreckt, auch seine Braut Lavinia herbeigeeilt.
    Tränen rannen ihr über die heißen Wangen, und die große Verschämtheit jagte ihr die Glut über das Angesicht. Wie Elfenbein von Purpur überlaufen, wie Lilienschnee von Rosen angeschimmert, so spielten die Farben auf ihrem jungfräulichen Antlitz. Turnus heftete einen Blick auf die Geliebte, und seine Gedanken verwirrten sich einen Augenblick; aber die Hoffnung, den verhaßten Nebenbuhler zu besiegen, entflammte ihn noch mehr zum Streit, und er sprach zu der Königin gewendet: »Mutter, ich bitte dich, verfolge mich nicht mit deinen Tränen, mit deiner bangen Ahnung; Turnus hat keine Wahl mehr!« Dann rief er einen seiner Streitgenossen und sagte zu ihm: »Du, Idmon, eile zum trojanischen Führer und verkündige ihm ein Wort, das ihn nicht freuen wird. Er soll am nächsten Morgen seine Trojaner nicht zum Streite führen, wie ich meine Rutuler nicht: wir lassen die Heere von

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