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Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav Schwab
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drei andern das Amt der Teilung. Da zerlegte dieser einen Stier aus der Beute in vier Stücke und bestimmte, daß der, welcher seinen Teil zuerst verzehrt haben würde, die Hälfte des Raubes, der zweite das übrige haben sollte. Nun begann der seltsame Wettstreit. Aber kaum hatten die andern sich ans Essen gemacht, da war Idas mit seinem Teil schon fertig und half nun auch dem Bruder, sein Stück zu verspeisen. So hatten die Aphariden die Wette gewonnen und führten die ganze Beute lachend hinweg, während die Dioskuren leer ausgingen. Aus Zorn hierüber brachen nun diese in Messenien ein, entführten die schönen Töchter des Leukippos, Phöbe und Hilaeira, welche die Bräute der Aphariden waren, und vermählten sich mit ihnen. Dann brachten sie ihren Raub in Sicherheit und versteckten sich in einem hohlen Eichbaum; aus diesem Hinterhalt lauerten sie den Aphariden auf, um sie zu überfallen; denn sie wußten wohl, daß diese ihren Schimpf nicht ruhig ertragen, sondern sie verfolgen würden. Lynkeus aber eilte schnellen Fußes zum Taygetos und stieg auf den höchsten Gipfel; von da durchspähte er die ganze Insel des Pelops bis an die Küsten des blauen Meeres, und bald erblickte er mit den gewaltigen Augen die beiden im hohlen Stamme versteckt, Kastor den Rossebezwinger und den preiswerten Helden Polydeukes, und zeigte sie seinem Bruder Idas. Rasch schlichen sie nun herzu, und ehe die Dioskuren sie gewahr wurden, schleuderte Idas den schweren Wurfspeer und durchbohrte Kastors Brust, daß er zu Boden sank. Polydeukes sah den blutenden Bruder zu seinen Füßen; da sprang er wütend hervor, um mit beiden Feinden zugleich zu kämpfen. Seinem Andrang vermochten sie nicht zu widerstehen, in wilder Flucht rannten sie dahin, bis an das Grab ihres Vaters Aphareus. Dort hob der starke Idas den Stein vom Grabhügel und schmetterte ihn gegen des Verfolgers Brust. Aber wie ein Fels im Meere stand Polydeukes, unerschüttert von der Wucht des anprallenden Marmors. Nun stürmte er auf Lynkeus ein und schleuderte ihm die Lanze tief in die Weichen, daß dieser sterbend zu Boden stürzte. Ein furchtbarer Kampf begann zwischen Polydeukes und Idas; jeder brannte vor Begierde, seinen toten Bruder zu rächen. Da blickte Zeus hernieder und nahm sich seines lieben Sohnes an. Eben war Idas im Begriff, einen riesigen Feldstein dem Gegner ans Haupt zu werfen, da entsandte der Donnerer einen feurigen Blitzstrahl, und von der himmlischen Flamme verzehrt, endete der letzte Apharide.
    Einen dankbaren Blick nur schickte Polydeukes zum Vater empor, dann eilte er zu seinem sterbenden Bruder zurück. Noch war dieser nicht tot, aber schwer röchelte die wunde Brust im Todeskampfe. Da stürzte Polydeukes laut weinend an der Seite des heißgeliebten Bruders nieder und rief mit gewaltiger Stimme: »O
    Vater Zeus, wie soll mein Jammer enden? O laß mich sterben mit diesem zusammen, Herr! Ehre und Freude ist dem Manne verloren, der seines liebsten Freundes beraubt ward.« Da schwebte der Götterkönig zu ihm herab und sprach: »Du bist unsterblich, denn du bist mein Sohn. Dieser aber entstammt einem sterblichen Vater. Wohlan denn! Frei stell ich dir selber die Wahl: Willst du, dem Tod und dem verhaßten Alter entflohen, im Olymp bei den seligen Göttern, selbst ein Gott, in Ewigkeit wohnen, doch ohne Kastor: es sei 397
    Gustav Schwab – Sagen des klassischen Altertums
    dir gewährt; oder willst du alles mit dem lieben Bruder teilen, so magst du mit ihm zugleich die Hälfte der Zeit in der finstern Unterwelt, die andere Hälfte im goldenen Himmelssaal weilen.« Also sprach der Gott, und jenem war das Herz nicht einen Augenblick von schwankendem Zweifel bedrückt; freudig und ohne Zaudern wählte er das gemeinsame Schicksal mit dem Bruder. Da erschloß Zeus dem Kastor Auge und Zunge. Und so bringen die Zwillinge, unzertrennlich wie im irdischen Leben, einen Tag beim Vater Zeus und den übrigen Göttern, den andern im dunkeln Hades gemeinsam zu. Die Menschen aber beten zu ihnen in allen Nöten des Lebens, denn sie verehren die Dioskuren als gnädige Helfer in Gefahr. Im Getümmel der Schlacht erscheinen die Brüder als leuchtende Sterne dem bedrängten Helden und führen ihn zum Sieg; auf tobender See, in Sturm und Wetter schweben sie auf goldenen Flügeln herab, den verzweifelnden Schiffbrüchigen zu helfen. Sankt-Elms-Feuer nennt jetzt der Seemann die wundersame heilkündende Lohe, welche in der Finsternis des Unwetters an Masten, Segeln und Tauen

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