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 Sagen des klassischen Altertums

Sagen des klassischen Altertums

Titel: Sagen des klassischen Altertums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Köhlmeier
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Überzeitliche gehoben und somit einen Spiegel geschaffen, in dem sich die Generationen bis herauf zu uns wiedererkennen.
    Uns interessieren die mythischen Antworten. Es gibt zwei Wurzeln des Krieges. Von ihnen soll im folgenden die Rede sein.
    Von der Nymphe Thetis habe ich bereits erzählt. Sie muß bezaubernd schön gewesen sein. Zeus, wie sollte es auch anders sein, verliebte sich in sie. Nicht nur Zeus verliebte sich in sie, auch Poseidon verliebte sich in sie. Wir erinnern uns daran, daß sie eine fürsorgliche Ersatzmutter für Hephaistos war, den Gott, der von Hera vom Himmel heruntergeschleudert worden war. Es wird wohl ihr Wesen, ihre gütige, warme, mütterliche Art gewesen sein, von der die beiden großen Götter angezogen wurden.
    Aber über Thetis schwebte ein Orakelspruch, und der besagte: »Wenn Thetis einen Sohn gebären wird, dann wird der mächtiger werden als sein Vater, ganz egal, wer dieser Vater auch sein mag.«
    Man kann sich denken, daß dieser Orakelspruch das Werben von Zeus und Poseidon doch einigermaßen gehemmt hat. Aber wie es ist: Wenn feine, große Herren sich um ein hübsches, kleines Mädchen bewerben, das sie dann doch nicht kriegen, weil sie es eben doch nicht wollen, dann wollen sie dieses Mädchen wenigstens in sicheren – sprich törichten – Händen wissen, und sie kümmern sich um eine Verheiratung.
    Nicht anders dachten und handelten Zeus und Poseidon.
    Zeus sagte: »Gut, mich wird sie nicht kriegen.«
    Und Poseidon sagte dasselbe: »Wir wollen ihr aber für die Lieblichkeiten, die sie uns gewährt hat, revanchieren und sie mit einem anständigen – also etwas langweiligen – Mann verheiraten, bei dem es keine Rolle spielt, wenn sein Sohn mächtiger wird als er.«
    Zeus blickte sich auf dem Erdenrund um, und sein Blick fiel auf Peleus. Von Peleus wird erzählt, er sei ein äußerst kräftig gebauter junger Mann gewesen. Er soll einen besonders schönen Körper gehabt haben, und auch was seine Männlichkeit betraf, soll er sehr entwickelt gewesen sein.
    Eines Tages sei, so hieß es, und diese Geschichte gab den Ausschlag, daß sich Zeus ausgerechnet für ihn entschied, eines Tages soll Peleus bei einem befreundeten König zu Gast gewesen sein. Der König sei ein geradezu idiotisch beschäftigter Mann gewesen, er hatte nicht einmal Zeit, mit seinem Gast zu frühstücken. Das tat dann die Königin. Und nach dem Frühstück wollte sie diesen wohlgebauten Peleus in ihr Bett ziehen. Aber Peleus, zwar kräftig und schön gebaut, aber schlicht, einfach von Gemüt, sträubte sich dagegen.
    Er sagte: »Du bist schön, und ich halte es ja auch kaum aus, neben dir am Frühstückstisch zu sitzen. Aber ich kann unmöglich ein Gast deines Mannes sein und zugleich mit dir ins Bett gehen. Das kann ich nicht, das tue ich nicht.«
    Die Königin zeigte daraufhin den Peleus bei ihrem Mann an, sagte: »Er wollte etwas von mir.«
    Aber Peleus leugnete so standhaft, und sein Blick war so gerade, daß ihm der König glaubte.
    Diese Begebenheit hat sich Zeus vom Olymp aus mitangesehen, und er sagte zu Poseidon: »Schau her, Bruder, das wäre doch der richtige Mann für unsere Thetis. Da bekommt sie einen ehrlichen, liebenswürdigen, etwas langweiligen, aber gut gebauten Menschen, und es spielt keine Rolle, wenn sein Sohn bedeutender wird als er. Was meinst du?«
    Poseidon war einverstanden.
    Die Göttermutter Hera freute sich auch darüber, daß wenigstens ein weibliches Wesen ihrem Gatten entgangen war, und so schlug sie vor, man solle doch die Hochzeit der Thetis ordentlich mit allem Prunk und Protz feiern.
    Aber vorher mußte Peleus die Nymphe erst für sich gewinnen, und das war ganz und gar nicht so einfach. Die Nymphe Thetis wußte von dem Orakelspruch, und sie ärgerte sich darüber, versaute er ihr doch eine gute Partie, denn sie hätte sich eben doch den großen Zeus oder wenigstens Poseidon als Liebhaber gewünscht. Zeus und Poseidon wußten, daß sie mit einem Menschen nicht auf Anhieb einverstanden sein würde.
    Sie gaben dem Peleus einige Ratschläge, sie sagten: »Warte hier vor dieser Grotte auf sie, sie kommt jeden Nachmittag. Sie reitet auf einem Delphin hierher, um ihr Mittagsschläfchen abzuhalten. Dann, sobald sie liegt, mußt du auf sie drauf, du mußt sie festhalten, ganz egal, was mit ihr geschieht. Wenn du sie losläßt, verlierst du sie.«
    »Was geschieht denn mit ihr«, wollte Peleus wissen.
    Das sagten ihm die Götter nicht, sie wollten sich den Spaß des Zusehens

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