Sagen von der Alhambra (German Edition)
einen Galgen vor sich, und einen kleinen krummbeinigen Gallego, der an demselben aufgehängt war; und von den durch ihre Phantasie heraufbeschwornen Schauern überwältigt, verfiel sie in Krämpfe.
Was sollte der arme Mann thun? Er hatte kein anderes Mittel, seine Frau zu beruhigen und die Trugbilder ihrer Phantasie zu verscheuchen, als daß er ihr die ganze Geschichte seines Glückes erzählte. Er that dieß jedoch nicht eher, als bis er ihr das feierliche Versprechen abgedrungen hatte, keinem lebenden Wesen ein Wort von der ganzen Sache zu erzählen.
Es würde unmöglich sein, ihre Freude zu beschreiben. Sie schlang ihre Arme um den Hals ihres Gatten, und erstickte ihn bald mit ihren Liebkosungen. »Jetzt, Frau«, rief der kleine Mann mit offener Freude, »was sagst du jetzt zu dem Vermächtnisse des Mauren? Fortan schilt mich nicht mehr, wenn ich einem unglücklichen Mitmenschen beistehe!«
Der ehrliche Gallego legte sich auf seine Schafpelzmatte und schlief so gesund wie auf einem Flaumbette. Nicht so seine Frau. Sie schüttelte den ganzen Inhalt seiner Taschen auf die Matte und zählte die ganze Nacht Goldstücke von arabischem Gepräge, probirte Halsbänder und Ohrringe, und dachte, wie sie eines Tages aussehen würde, wenn sie sich ihrer Schätze erfreuen dürfte.
Am folgenden Morgen nahm der ehrliche Gallego ein dickes Goldstück und ging damit in die Bude eines Juwelenhändlers auf dem Zacatin, um ihm es zum Kauf anzubieten, indem er vorgab, er habe es in den Trümmern der Alhambra gefunden. Der Juwelier sah, daß es eine arabische Umschrift hatte und von dem reinsten Golde war; er bot aber nur den dritten Theil des Werthes, womit der Wasserträger vollkommen zufrieden war. Peregil kaufte jetzt neue Kleider für seine kleine Heerde, sowie alle Arten von Spielzeug, und reichen Vorrath für ein tüchtiges Mahl, worauf er heimkehrte und alle seine Kinder um sich her tanzen ließ, während er, der glücklichste der Väter, in ihrer Mitte hüpfte!
Die Frau des Wasserträgers hielt ihr Versprechen, zu schweigen, mit überraschender Pünktlichkeit. Anderthalb Tage ging sie umher mit geheimnißvollem Blick und einem Herzen, das zum Bersten voll war; aber sie schwieg, obgleich sie von ihren Gevatterinnen umgeben war. Es ist wahr, sie konnte nicht umhin, sich einiges Ansehen zu geben, entschuldigte ihre zerrissenen Kleider, sprach von dem Bestellen einer Basquina, mit goldenen Borten und Korallen besetzt, und einer neuen Spitzen-Mantilla. Sie ließ auch Winke von der Absicht ihres Mannes fallen, sein Gewerbe als Wasserträger aufgeben zu wollen, da es nicht mehr ganz seine Gesundheitsumständen vertrügen. Sie hoffte fest, daß sie sich Alle den Sommer auf das Land zurückziehen würden, wo die Kinder die Bergluft genießen könnten; denn es sei unmöglich, in der heißen Jahreszeit die Stadt zu bewohnen.
Die Nachbarinnen starrten einander an, und glaubten, die arme Frau habe ihren Verstand verloren; und ihr aufgeblasenes Wesen, ihr Schönthun und ihre vornehmen Ansprüche waren der allgemeine Gegenstand des Spottes und der Belustigung ihrer Freundinnen, sobald sie ihnen den Rücken gewendet hatte.
Wenn sie sich jedoch draußen zurückhaltend verhielt, so entschädigte sie sich dafür zu Hause und legte eine Schnur reicher, orientalischer Perlen um ihren Hals, maurische Spangen um ihre Arme, und einen Schmuck von Diamanten um ihre Haare, und segelte in der Stube rückwärts und vorwärts in ihren schlumpigen Fetzen, und stand dann und wann still, um sich in einem Stück zerbrochenen Spiegelglases zu betrachten. Ja, in dem Drange ihrer lächerlichen Eitelkeit konnte sie einmal nicht widerstehen, sich an dem Fenster zu zeigen, um sich des Eindrucks ihres Putzes auf die Vorübergehenden zu erfreuen.
Das Unglück wollte aber, daß Pedrillo Pedrugo, der zudringliche Barbier, in diesem Augenblicke müßig in seiner Bude auf der entgegengesetzten Seite der Straße saß, als das Funkeln eines Diamants sein Auge traf. Augenblicks war er an seinem Lugloch und sah die schlumpige Frau des Wasserträgers in der Pracht einer morgenländischen Braut herausgeputzt. Er hatte nicht sobald ein genaues Verzeichniß ihres Schmuckes aufgenommen, so flog er auch schon in aller Hast zu dem Alcalden. Nach einer kleinen Weile war der hungrige Alguacil wieder auf der Spur; und ehe der Tag vorüber war, wurde der unglückliche Peregil wieder vor den Richter geschleppt.
»Wie ist’s, Schurke!« rief der Alcalde mit einer fürchterlichen
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