Sagen von der Alhambra (German Edition)
Gedanken an Edelsteine. »Und wo ist diese Kapsel? wo hast du sie versteckt?«
»Euer Gnaden zu dienen!« sagte der Wasserträger, »sie ist in einem der Körbe meines Esels und steht Euer Gnaden herzlich gern zu Diensten.«
Er hatte diese Worte kaum gesprochen, so schoß der treffliche Alguacil schon fort und erschien in einem Augenblick wieder mit der geheimnißvollen Kapsel von Sandelholz. Der Alcalde öffnete sie mit hastiger und zitternder Hand; Alles drängte sich herzu, um die Schätze zusehen, welche sie, wie man hoffte, enthielt; aber zu ihrem Mißmuth zeigte sich nichts als eine Pergamentrolle mit arabischen Buchstaben bedeckt und ein Stück von einer Wachskerze.
Wenn nichts durch die Ueberführung eines Gefangenen zu gewinnen ist, so ist die Gerechtigkeit sogar in Spanien manchmal unparteiisch. Als sich der Alcalde von seinem Verdruß erholt hatte und sah, daß wirklich nichts Namhaftes in der Kapsel war, hörte er leidenschaftslos auf die Auseinandersetzung des Wasserträgers, welche durch das Zeugniß seiner Frau bekräftigt ward. So von seiner Unschuld überzeugt, entließ er ihn aus seiner Haft; ja, er erlaubte ihm sogar, sein maurisches Vermächtniß, die Kapsel von Sandelholz und deren Inhalt als wohlverdienten Lohn für seine Dienste mit nach Hause zu nehmen; den Esel aber behielt er, statt Geldes, für Kosten und Gebühren.
Da war denn der unglückliche kleine Gallego wieder in die Notwendigkeit versetzt, sein eigener Wasserträger zu werden und mit einem großen irdenen Krug auf seiner Schulter zu dem Brunnen der Alhambra hinauf zu kriechen.
Wenn er in der Hitze eines Sommernachmittags die Höhe hinaufkeuchte, verließ ihn seine gewöhnliche gute Laune. »Verdammter Alcalde!« rief er dann wohl aus, »der einem armen Manne die Mittel seines Unterhalts, den besten Freund raubte, den er auf der Welt hatte!« Und bei der Erinnerung an den geliebten Gefährten seiner Mühen brach dann die ganze Zärtlichkeit seines Wesens hervor: »Ach, Esel meines Herzens!« rief er aus, indem er seinen Krug auf einen Stein stellte und sich den Schweiß von der Stirne wischte,– »ach, Esel meines Herzens! Ich weiß es gewiß, du denkst an deinen alten Herrn! Ich weiß es gewiß, du vermissest die Wasserkrüge – armes Thier!«
Um seinen Kummer zu vermehren, empfing ihn seine Frau, wenn er nach Hause kam, mit Murren und Schelten. Sie hatte nun offenbar den Vortheil über ihn, denn sie hatte ihn gewarnt, die edle Handlung der Gastfreundschaft, welche all dieses Unheil über sie brachte, nicht zu üben, und als eine kluge Frau nahm sie jede Gelegenheit wahr, ihm ihren überlegneren Scharfsinn vorzuhalten. Wenn ihre Kinder kein Brod hatten oder ein neues Kleid brauchten, sagte sie wohl höhnisch: »Geht zu eurem Vater, – er ist der Erbe des Königs Chico von der Alhambra, – sagt ihm, er solle euch mit der Büchse des Mauren helfen.«
Wurde je ein armer Erdenmensch so arg gestraft, weil er eine gute That vollbracht hatte? Der unglückliche Peregil war an Leib und Seele niedergeschlagen, dennoch ertrug er den Hohn seiner Frau mit Gelassenheit. Endlich aber, als er eines Abends nach saurer Tagesarbeit heimkehrte, und sie ihn wieder in der gewöhnlichen Weise ausschalt, riß ihm die Geduld. Er wagte es nicht, sie es entgelten zu lassen, aber sein Auge fiel auf die Kapsel von Sandelholz, die mit halb offenem Deckel, als spotte sie über seine Noth, auf einem Brette lag. Er ergriff sie und warf sie zornig auf den Boden. »Verflucht der Tag«, rief er, »an welchem ich dich zuerst erblickte und deinen Besitzer unter meinem Dache aufnahm!«
Als das Kistchen auf den Boden fiel, öffnete sich der Deckel weit und die Pergamentrolle fiel heraus. Peregil betrachtete die Rolle eine Zeitlang mit düsterem Schweigen. Endlich sammelte er seine Gedanken – »Wer weiß«, dachte er, »vielleicht ist diese Schrift nicht unwichtig, da der Maure sie so sorgfältig bewahrte!« Er nahm sie daher und steckte sie in seine Brust; und als er am nächsten Morgen Wasser in den Straßen ausrief, blieb er an dem Laden eines Mauren stehen, eines Eingebornen von Tanger, der Wohlgerüche und andere Kleinigkeiten verkaufte, und bat ihn, ihm den Inhalt zu erklären.
Der Maure las die Rolle aufmerksam, strich dann den Bart und lächelte. »Diese Handschrift«, sagte er, »enthält eine Zauberformel, um verborgene Schätze, welche gebannt liegen, aufzufinden. Es heißt, sie habe eine solche Kraft, daß die stärksten Riegel und Bande, ja
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