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Saiäns-Fiktschen

Saiäns-Fiktschen

Titel: Saiäns-Fiktschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fühmann
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Willen zu haben, und handeln auf das hin, was jetzt noch nicht da ist, doch einst Ursache gewesen sein wird.“
    „Erlaube mal“, sagte der Gast, „das ist unbeweisbar. Es läuft doch und dennoch und trotz dem allem bei dir auf die Namensumnennung hinaus. Wie willst du mir denn beweisen können, daß das Spätre Ursache gewesen ist? Zuerst das Stampfen, dann das Krachen, das bleibt auch in deiner AK-Welt so. Niemals wirst du beweisen können, daß ich oder daß mein Fuß deshalb stampfte, weil einmal später dann Krachen erscholl. Ich erkläre es schlicht auf die übliche Weise: Ich stampfe, es kracht, Ursache und Wirkung, und wenn du die Namen auswechseln willst, ist das unverbindliche Spielerei. Mit Wissenschaft hat es nichts zu tun.“
    „Das Kriterium“, sagte Janno, „ist auch hier die Praxis. Du hast noch nicht erlebt, was in diesem Raum schon alles geschehn ist. Du würdest es auch nicht anders erklären.“
    „Aber du hast mir’s berichtet, und das genügt vollauf, um Ursache und Wirkung walten zu sehen, und zwar in gänzlich unmystischer Weise. Einer hat sich den Fuß verknackst und ist deshalb schräg auf den Sessel gesunken —“
    „— aber er hat nicht sitzen wollen, versteh doch! Er hat sich dagegen gewehrt, und es hat ihn gezwungen! Daß er
saß
, sitzen
würde
, gewißlich sitzen, das eben war die in der Zukunft gelegene Ursache, das Stolpern war die vorauslaufende Wirkung, deren Modalitäten natürlich nicht von der Ursache allein bestimmt werden. Wohl aber ihr Wesen, nämlich das Sitzen.“
    „Pah, Selbsthypnose, weiter gar nichts!“ Der Besucher schlug mit der Faust durch die Luft. „Befangen ist er gewesen und deshalb gestolpert!“
    „Aber das stützt doch
auch
, ja gerade meine Theorie! Wodurch denn Selbsthypnose, wodurch denn Befangenheit? Durch das Geschaute! Und das Geschaute ist nachweisbar in der Zukunft gewesen, es war das Spätere, das erst Kommende, und dies Spätere wurde Ursache für die Wirkung, die zeitlich vor dieser Ursache lag. Du magst es ruhig Selbsthypnose nennen — entscheidend ist, daß etwas Späteres etwas Früheres hervorgerufen hat. Und eben das ist reales AK!“
    Der Besucher stutzte, dann sagte er: „Aber die Schau war doch vor dem Stolpern.“
    „Die Schau schon“, sagte Janno, „die Schau gewiß. Aber die war ja nichts Objektiv-Reales, die war ja nur das Gedankenabbild des Kommenden. Das reale Ereignis trat erst später ein.“
    „Zum Teufel . . .“, sagte der Besucher.
    „Entweder“, so scholl es unter der Kapuze, „du akzeptierst dies Später-Früher, oder du mußt den Materiebegriff ändern, und zwar wesentlich!“
    „Viel zu kompliziert“, brummte Pavlo, „viel zu kompliziert.“
    „Ganz einfach“, sagte Janno, „ganz einfach: AK heißt: Spätres bestimmt Frühres — die Zukunft wirkt auf die Gegenwart. Ich glaube, das ist einfach genug.“
    „Schon besser“, sagte Pavlo, „und immer noch zu geschwollen!“
    „Und das Vergangene?“ fragte der Gast.
    Janno zögerte.
    Pavlo trank.
    Im Raum der Dunst sauer kratzenden Fusels.
    „Verzeih“, sagte Janno schließlich mühsam, „doch das fällt in unsere Geheimhaltungspflicht — die Institutsordnung, du verstehst doch . . .“
    „Natürlich“, sagte der Gast, „ich versteh das sehr gut!“
    Er überlegte, dann fragte er, halb Erkundigung, halb Konversationston: „Also eine Art Teleologie?“
    „Etwas Verwandtes“, erwiderte Janno erleichtert. „Teleologie ist Wachsen zu etwas hin, Entfaltung von etwas schon Angelegtem; AK ist Wachsen von etwas her, Entfaltung von etwas im Kommenden erst angelegt sein Werdendem, das zu uns zurückwirkt. Die Grammatik kann das schlecht fassen. Am besten vielleicht: Anti-Teleologie.“
    „Unfug, und damit basta!“ sagte der Gast entschlossen. „Ihr zappelt im Netz der Selbsthypnose und macht daraus noch ein Theorem. Ich erhöhe die Wette auf eins zu zwanzig.“
    „Jetzt spielt er den Faust“, lachte Pavlo, „doch unterschreibt er mit Blut?“ Und, da der Besucher zusammenzuckte, gleich darauf: „Um was wollen S’ denn wetten? Um Wodkabons?“
    „Um ganze Pfunde“, sagte Janno.
    Die Flasche klirrte auf dem Tisch. „Mensch“, sagte Pavlo, „o Mensch!“ sagte er.
    „Wir dürfen’s nicht machen“, redete Janno, „aber wenn er nun doch die Ausnahme wäre?“
    Er trat von dem Gestell zurück, und plötzlich sah der Gast das Kästchen, das bislang von Janno verdeckt worden war. Es leuchtete in reinem Grün, mild, ein Juwel mit der

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