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Saiäns-Fiktschen

Saiäns-Fiktschen

Titel: Saiäns-Fiktschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fühmann
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das objektive Moment unter weitestgehender Ausschaltung aller subjektiven Faktoren zu fixieren, was ja, wozu man halt Filme brauche, wohl nur durch Photographieren geschehen könne. Oder wisse der Freund vielleicht etwas Andres, und Jirro bejahte: Das wisse er.
    Jannos ungläubig nachsichtiges Lächeln; Jirro empfand es als unverschämt, die verzweifelte Hoffnung darin entging ihm. — Was der Freund, fragte er mit langsam sich entfaltendem Grinsen, was der Freund denn dafür springen lasse?
    Janno nahm die Hand von den Schräubchen und setzte sich, sorgsam die Hosenbeine mit den eingelaserten Biesenfalten hochziehend, zu den Versuchsprotokollen auf die knackende Schreibplatte: Meine Jirro die Lösung des Problems der Filmbeschaffung oder die des Gesamtproblems?
    Jirro lachte, herzlich rabiat: Da könne man wieder einmal sehen, wie die Herren Geisteswissenschaftler, die sonst immer so herablassend auf ihre Kollegen von der Primärmaterie als auf ungeistige Tröpfe herunterschauten, wie die Herren Geisteswissenschaftler also wider alle Methode ganz unvereinbare Kategorien als gleichgeartet zusammenwürfen: Die Auftragsfinanzierung aus privaten Mitteln der Arbeithergeber sei kein zu lösendes oder auch nicht zu lösendes abstraktes Problem, sondern ein außer jeder Debatte stehendes, auf der Stelle zu endendes Ärgernis, und da nun, das sehe man wohl ein, dieser SAURITUS auf empirischem Weg nicht anders als mittels Photographieren bewältigt werden könne, müsse man ihn halt auf nichtempirische, das heißt auf spekulative, also geistige Weise zur Strecke bringen (oder kenne der Kamerad Philosoph etwa eine dritte Methode?); und abermals die Frage, was dem Freund eine Lösung wert sei.
    Janno war unschlüssig: Daß Jirro recht hatte, stand außer Zweifel, die Leitungen würden sich dieser Initiative mit Jubel bemächtigen, also durfte man die Photoprotokolle nie abliefern; andrerseits drängte der Termin. Aber wußte Jirro wirklich einen Weg? Und was sollte man bieten? — Der Freund sah verstohlen abschätzend den Freund an: Saß Jirro in einer echten Klemme, oder brauchte er einfach nur Geld, wie man als chronisch Unterbezahlter halt einfach nur Geld braucht? Drei Pfund, vier Pfund, fünf Pfund, sechs Pfund, was war der Preis?
    Jirro sah, wie Janno sich quälte, und er sah ihn ganz ungeniert an, wie der Freund da auf seine Protokolle gestützt saß, und Jirro taxierte jetzt ungeniert laut: Dem Freund scheine es ja bestens zu gehen, eine blitzneue jener begehrten Krawatten, die mit ihrer Silbergräue so provozierend vom aschgrauen Dienstkittel abstechen; Schuhe mit echten Lederkappen; das Kennummernschild auf Revers und Rücken in mattbronzierter Luxusausführung, und nun noch der Wahnsinn eigenfinanzierter Forschung, da müsse man sich doch wirklich wundern, wo ein einfacher Diplomer solchen Wohlstand hernehme: Habe Janno etwa im Lotto gewonnen, Sieben Richtige aus Siebentausend, und verheimliche es selbst dem besten Freund?
    Janno hob entsetzt die Hände: Nein, nein, was der Freund ihm unterstelle; nur ein wenig logistische Schwarzarbeit, das Übliche, aber für ziemlich hoch oben, und darum auch mit ziemlich hohem Salär: ein bißchen Informationsharmonisieren und Erstellen dialektischer Zwischenglieder zwischen „entweder“ und „oder“, na, was halt von den Chefs so alltäglich verlangt werde.
    Immer diese Privilegien der Herren Geisteswissenschaftler, murrte Jirro; den Physikern sei so was versagt, also müsse der Freund schon dem Freund aushelfen. Und da Janno, zwischen drei und vier Pfund schwankend, noch schwieg, nannte Jirro die Summe: Zwanzig Pfund!
    Janno schrie auf: Mehr als zehn habe er nicht!
    Der Neutrinologe schritt zur Tür und machte kurz vor ihr lässig halt: Zwölf sofort, und den Rest nächsten Zahltag!
    Stöhnen; Hand auf der Klinke; Janno nickte ergeben; „und“, verlangte Jirro, „zehn Schrauben für Pavlo . . .“
    Janno wurde blaß.
    Die seien doch abgezählt und quittiert, stammelte er, doch Jirro parierte: Die Unbeweglichkeit des Freundes sei zum Erbarmen, man könne doch einen Verschleiß abschreiben, eine passende Erklärung werde sich schon finden; und da es in der Türangel zu kreischen begann, willigte Janno schließlich ein.
    Sein Entschluß schien ihn verändert zu haben; der Physiker hätte es vielleicht so ausgedrückt, daß ein moralisches Elementarteilchen in eine neue Umlaufbahn gesprungen sei. „Also gut“, sagte er fast frohgemut, und er schlug dabei auf den

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