Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
abgehoben … der Anruf kam von … oh …«
»Was oh?«
»Das war PK Rainer Sailer«, erwiderte die Stimme.
»Was denkt sich der Typ?«, rief Eva entnervt. »Haben wir eine Ortung?«
»Irgendwo am See«, lautete die Antwort.
»Am See? Ich hatte ihn zu Kahlerts Surfschule geschickt, aber er hat sich bei mir nicht mehr gemeldet. Habt ihr in der Station irgendwas von ihm gehört?«
»Ich glaube nicht, aber ich vergewissere mich mal schnell.« Eva wechselte einen Blick mit Herwig Römer, der nicht weniger ratlos aussah als sie. »Probleme?«, fragte er leise. Sie zuckte mit den Schultern, erhielt dann von der Stimme am Telefon die Antwort, die sie beinahe schon erwartet hatte, dass Rainer auch bei den Kollegen in der Station nicht angerufen hatte, und dachte einen Moment lang nach. »Hören Sie«, sagte sie dann. »Wir wollten ohnehin zum See. Wir fahren jetzt dorthin und sehen, was los ist. Wenn PK Sailer sich bei Ihnen meldet, sagen Sie ihm, er soll sich eine sehr gute Ausrede einfallen lassen, sonst reiße ich ihm den Kopf ab. Wenn Sie irgendwelche Infos haben, rufen Sie mich an, und schärfen Sie dem Kollegen Huber ein, er soll den Weiher nicht aus den Augen lassen. Und wenn …«
Die Frau am Telefon unterbrach Evas aufgeregten Redefluss gelassen: »Alles klar, Frau Schatz, wir bleiben dran. Gibt es noch was Wichtiges?«
»Nach allem, was passiert ist, hätte ich gerne jemanden am Haus von Margarete Hofmann postiert. Und wenn Kahlert auftaucht … er darf uns nicht durch die Lappen gehen. Ich frage mich eh, warum er nicht längst zu Hause ist. Also, wir fahren los, halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.«
Römer fingerte immer noch am Radio herum, als Eva das Handy wieder auf der Ablage platzierte und den Gang einlegte. Eine Wasserfontäne schoss auf, als sie mit zu viel Gas losfuhr und das Auto ruckelnd wieder auf die nasse Spur brachte. Es regnete. Das Radio erhaschte wieder einmal eine Frequenz, Klassik, trommelnde Klaviertöne und dann eine Baritonstimme. »Wer reitet so spät durch Nacht und Wind …«
»Um Himmels willen, Römer, mach das bloß aus«, befahl Eva scharf. »Das brauch ich jetzt wirklich nicht.«
Der Pfarrer schaltete das rauschende Gerät ab, und ein paar Minuten lang waren der Regen und der Motor die einzigen Geräusche im Inneren des Wagens. Als sie in Richtung Brombachsee einbog, fragte sich Eva einen Augenblick lang, ob sie vielleicht schon über das Ufer hinausgefahren war: Die Straße schwamm förmlich, und die drei im Auto waren dankbar für den griffigen Allradantrieb. Auf dem Parkplatz der Badehalbinsel geriet ein einsamer PKW in den Lichtkegel der Scheinwerfer. Eva blieb nicht stehen, um es sich genauer anzusehen, war sich aber ziemlich sicher, dass es Rainers Wagen war. Sie spürte bei dem Anblick einen Anflug von Besorgnis – konnte ihm vielleicht etwas zugestoßen sein? Dann erinnerte sie sich daran, dass er bei Margarete Hofmann angerufen hatte. »Wer reitet so spät durch Nacht und Wind …«, sang Herwig Römer, dem der Liedfetzen aus dem Radio jetzt im Kopf herumspukte, leise vor sich hin. Eva fuhr langsam weiter, am Parkplatz vorbei, entschlossen, so nah wie irgend möglich an die Windsbraut heranzukommen. Schlamm spritzte von dem schlecht befestigten Weg auf, einen Moment lang drehten die Reifen durch, wild und sinnlos, dann fassten sie wieder Grund. Sie zockelten weiter, bis Eva sich in der Dunkelheit nicht mehr sicher sein konnte, wo sie hinfuhr, und da sie wenig Lust hatte, im feuchten Sand stecken zu bleiben, brachte sie den Wagen mit eingeschalteten Scheinwerfern zum Stehen.
Die drei Insassen stiegen aus, ausgerüstet mit Regenzeug und Taschenlampen. Eva steckte ihr Handy ein und versuchte dann, sich zu orientieren. Im Dunkeln war es viel schwieriger, das Gebäude der Windsbraut wiederzufinden, vor allem, da sie die Hinweistafeln verpasst hatten. Ein schwaches Licht, das zwischen den Bäumen hindurchschien, gab ihnen schließlich die Richtung vor.
»… was birgst du so bang dein Gesicht? Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?«, intonierte Herwig Römer, bis ein Blick von Eva ihn verstummen ließ. Sie stapften los, ihre Schuhe schmatzten auf dem durchweichten Boden.
»Das ist nicht im Haus, das Licht«, bemerkte Gollwitzer hinter ihr auf einmal, die Stimme unwillkürlich gesenkt. Eva schielte durch den Regen und musste ihm Recht geben. Das war keine Lampe, die durch die verglaste Front der Surfschule leuchtete. Sie versuchte sich an den Vormittag zu
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