Sailer und Schatz 01 - Das ist mein Blut
Weiher hat mir gesagt, wer der Vater des Kindes war, und er war es nicht. Mehr kann ich wirklich nicht sagen.«
Eva stand abrupt auf und lief ein-, zweimal unruhig und wütend durch die Eingangshalle, ehe sie sich wieder setzte. Wenn das stimmte, dann versetzte das ihrer ganzen Theorie einen empfindlichen Stoß. Mit Heinrich Weiher als Mittäter und Mitwisser von Margarete Hofmann schien alles klar gewesen zu sein. Wenn er aber nicht der Vater des unerwünschten Kindes gewesen war, gab es keinen Grund mehr, ihn als Komplizen im Mordfall Friedrich Weiher zu sehen – und dann auch keine Ursache, ihn mit dem Kronauer-Mord in Verbindung zu bringen. Aber dass Margarete Hofmann da einen Helfer gehabt hatte, haben musste, stand fest. »Verdammt, Herwig«, stieß sie mutlos hervor, nachdem sie ein weiteres Mal durch die Halle gelaufen war und sich wieder gesetzt hatte. »Jetzt steh ich da. Wer kann es denn sonst gewesen sein? Ich meine, natürlich könnte sonst wer die Hofmann damals geschwängert haben, aber wir sind auf niemanden gestoßen, der auch heute noch zu ihrem Umfeld gehört. Wir haben ihren Nachbarn. Mit dem hat Kronauer telefoniert. Den hatte ich auch schon im Visier, aber wir haben zwischen ihm, der Hofmann und Kronauer keine weitere Verbindung entdecken können. Und ihr damaliger Geliebter kann er nicht sein, dafür ist er viel zu jung. Ich meine, der könnte schon fast ihr Sohn … Scheiße!« Eva wurde blass. Das konnte nicht sein. Trotzdem sprang sie auf und rannte zur Treppe. »Friedolin!«, schrie sie, noch ehe sie den Absatz erreicht hatte. »Ich brauche Informationen!«
41
Im Dunkeln klang das Tropfen des Regens auf dem Holzdach des Schuppens viel lauter als zuvor. Die Schritte waren nicht mehr zu hören. Es schien Rainer, als ob er eine Ewigkeit auf dem unebenen, kalten Boden gehockt und ins Leere gestarrt hatte, obwohl es in Wahrheit wohl nur ein paar lange Sekunden gewesen waren. Kahlert hatte ihn überrumpelt, aber nun setzte sein Denken wieder ein. In einer aussichtslosen Situation war er nicht, keineswegs. Es konnte nicht schwer sein, sich aus dem Bootshaus zu befreien, sobald er erst einmal die Tür gefunden hatte. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie auch nur verriegelt war. Sein Gegner musste wissen, dass er nicht mehr weit kommen würde, dass er die Polizei lediglich kurzzeitig aufgehalten hatte. Was versprach er sich dann davon, fortzulaufen?
Rainer rappelte sich auf und begann, sich in die Richtung voranzutasten, in der er die Tür vermutete. Dabei rief er laut, falls draußen jemand war, der ihm helfen konnte. Der Schuppen war nicht groß, aber er stand voller Gerümpel, und darum dauerte es, bis Rainer die Tür fand, und dann noch ein wenig, bis er sie aufbekam. Sie war nicht abgeschlossen gewesen. Kahlert hatte sich nur einen kleinen Vorsprung verschafft. Fragte sich bloß, wohin er lief. In die Surfschule? Zum Auto? Wo immer das sein mochte … Rainer fluchte. Er hatte kein Handy, seine Jacke hatte er im Büro gelassen … im Büro – ihm fiel ein, dass er Werner Blum dorthin geschickt hatte. Aber als er vorhin aus dem Schuppen gelaufen war, hatte dort kein Licht mehr gebrannt. »He, hallo!«, schrie er so laut er konnte. »Ist da jemand? Herr Blum? Mist, verdammter!« Plötzlich flammte ein gutes Stück entfernt am Ufer ein Licht auf. Durch den Regen und die Dunkelheit war nicht zu erkennen, woher es kam, und einen Moment später tauchte ein weiteres Licht ganz in der Nähe auf – es war der Lichtkegel einer starken Taschenlampe. »Hallo?«, rief Rainer wieder, und diesmal kam Antwort. »Wer ist das? Herr Sailer?«
»Herr Blum?«, fragte Rainer zurück und lief auf den Lichtkegel zu. Der Angestellte der Surfschule sah zugleich erleichtert und verwirrt aus, als er den Polizisten sah. »Was ist denn los?«
»Dasselbe könnte ich Sie fragen«, schimpfte Rainer. »Warum sind Sie nicht zurückgekommen? Was ist mit der Nachricht auf dem AB?«
»Ich … mein Chef, er stand im Büro, als ich kam, und telefonierte. Es war ein Notfall, er sagte, jemand sei am Seeufer gesehen worden, ich sollte mal nachsehen.« Als er Rainers wütendes Gesicht sah, fügte er lahm hinzu: »Es war ein dringender Fall, hat er gesagt.«
»Ja, es ist ein dringender Fall«, fuhr Rainer ihn an. »Er musste Sie dringend loswerden. Haben Sie sich denn gar nichts dabei gedacht?« Als der junge Mann etwas erwidern wollte, ließ Rainer ihn nicht zu Wort kommen; schließlich, erinnerte er sich, gab es
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