Sakrament der Lust
nicht freiwillig stechen lassen, oder?»
Julian schluckt und ich spüre die Anspannung in seinem Körper.
«Nein, ich wurde gefesselt, als sie mir das Tattoo verpasst haben!»
«Wer?»
«Zwei Jungs aus dem Waisenhaus!»
«Hast du nie versucht, es wegmachen zu lassen?»
«Es fällt mir unendlich schwer, jemanden an diese Stelle meines Körpers heranzulassen.»
«Vielleicht unter Vollnarkose?»
«Vielleicht irgendwann!»
Das Tattoo auf seiner Haut war wirklich ziemlich hässlich. Obwohl es jetzt wieder stockdunkel ist, weiß ich dank meinem fotografischen Gedächtnis noch genau, wie es aussah. Für einen Priester ist ein Totenkopf, aus dessen Augen und Mund Würmer und Maden herausquellen, sicherlich ein besonders schauderhaftes Motiv. Noch dazu sah ich sofort, dass es von absoluten Laien gestochen wurde – kein Mensch möchte so etwas auf seiner Haut haben.
«War es sehr schmerzhaft?»
«Ja! Es war wie in einem Horrorfilm! Vor allem hat sich das Tattoo danach entzündet und brannte wie Höllenfeuer!»
Meine Hände fahren zärtlich durch seine Haare, wühlen darin herum und liebkosen seine Wangen. Langsam beruhigen sich sein Herzschlag und seine Atmung.
«Es macht dir wirklich nichts aus?»
«Natürlich nicht! Aber da es für dich so schrecklich ist, solltest du es entfernen lassen!»
«Ich glaube nicht, dass ich das kann!»
«Hast du mir nicht gesagt, Ängste sind dafür da, dass man sie bekämpft?»
«Hmm!»
«Ich mache dir einen Vorschlag! Ich setze mich in ein Flugzeug und du lässt das Tattoo entfernen!»
Das mit der Flugangst verfolgt mich schon mein halbes Leben lang und ich glaube, es ist ein würdiges Opfer, das ich von meiner Seite her erbringen kann. Julian atmet tief durch.
«Abgemacht! Wohin fliegen wir?»
«Wir? Kommst du mit?»
«Ich will doch auch mal deine Eltern in Australien kennenlernen!»
«Ach, dann weißt du ja schon wohin! Und geht das denn so einfach, dass du mitkommen kannst?»
Er küsst mich zärtlich auf den Mund.
«Wir werden sehen! Jetzt solltest du dich aber um deine Tochter kümmern! Und – danke, Jana!»
«Wofür denn?»
«Dafür, dass du so eine wundervolle Frau bist!»
Entscheidung
Ich taste in der Dunkelheit nach dem Schalter für die Nachttischlampe. Ich knipse das Licht an und sehe zu Julian. Er schaut, als hätte ich ihn bei etwas ertappt und verbirgt sein Tattoo rasch unter der Bettdecke. Ich umarme ihn und küsse zärtlich seine Lippen.
«Du brauchst das wirklich nicht vor mir zu verstecken!», flüstere ich ihm zu. «Darf ich es nochmal anschauen?»
Noch nie habe ich einen dermaßen verletzlichen Ausdruck in seinen Augen gesehen. Bisher strahlten sie immer eine ungebrochene Stärke und Selbstsicherheit aus. Jeder von uns trägt wohl irgendwo ein Päckchen voll mit verborgenen Ängsten oder Probleme herum, denke ich.
«Ein andermal, Jana!»
Damit gebe ich mich zufrieden und nicke. Wahrscheinlich hat er heute sowieso schon viel mehr von sich preisgegeben, als er eigentlich wollte. Ich sammele Kleid und Slip ein und ziehe mich mit dem Rücken zu Julian an, während auch er in seine Kleidung schlüpft.
«Ich gehe besser und lasse euch alleine miteinander reden, Jana!»
«OK! Sehen wir uns denn morgen wieder?»
Julian lächelt und die alte liebevolle Stärke strahlt wieder aus seinen Augen.
«Gerne, wann bist du denn zuhause?»
«Morgen den ganzen Tag - ich arbeite ja hier!»
Ich drücke den Schalter, um die Rollos wieder zu öffnen und dann verlassen wir den Raum. Aus Lisas Zimmer dröhnt laute Musik. Wir steigen die Treppe hinunter und verabschieden uns an der Eingangstür. Julian zieht mich zu sich in die Arme, küsst mich zärtlich und ich spüre an seiner raschen Atmung und der Schwellung im Schritt, wie er sich zurückhalten muss, nicht wieder mit mir im Bett zu landen.
«Dann bis morgen!»
Kaum hat er das gesagt, ist Julian auch schon zur Tür hinaus. Ich sehe ihm nach, wie er durch das Gartentor geht und hinter den Büschen und Bäumen der Vorgärten verschwindet. Der Blutfleck bedeckt noch immer die Natursteinplatten. Oh je, was wird Lisa gedacht haben? Sicherlich hat sie auch das gesehen! Ich muss dringend mit ihr reden.
Ich schaue zu ihrer halb geöffneten Zimmertür herein. Lisa liegt auf dem Bett. Die laute Musik macht eine Unterhaltung unmöglich, aber ich lasse sie laufen, als ich eintrete und mich zu ihr ans Bett setzte. Lisa schielt zu mir herüber und ich streichle über ihre kurzen Haare. Plötzlich springt sie auf
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