Sakrament der Lust
und schaltet die Musik aus.
«Ich muss aber jetzt nicht 'Papa', zu ihm sagen, oder?»
Ihr Ausdruck verrät Unsicherheit genauso wie Ablehnung.
«Nein, natürlich nicht!»
«Seid ihr denn jetzt richtig ein Paar und wird er bei uns einziehen?»
«Lisa, ehrlich gesagt, weiß ich selbst nicht recht, was aus uns wird!»
«Na toll!»
Sie verschränkt trotzig die Arme. Ich kann verstehen, dass sie das alles überfordert.
«Es tut mir Leid, Lisa, dass du uns im Schlafzimmer überraschen musstest!»
Sie verdreht die Augen.
«Mir nicht! Hattet ihr wenigstens Spaß?», fragt sie spöttisch.
Darauf gehe ich besser nicht ein.
«Na, komm, du hast mir gesagt, du magst ihn und findest ihn OK - für einen Pfaffen!»
«Da wusste ich ja auch noch nicht, dass er vielleicht mein Ersatzpapa werden könnte!»
«So musst du das gar nicht sehen! Vielleicht könntet ihr ja einfach nur Freunde sein.»
Lisa schweigt. Wir schauen uns an und ich sehe förmlich, wie ihre Gehirnzellen fieberhaft arbeiten.
«Na gut, ich werde ihm keine Giftspritze verpassen und keine Stinkbomben in seinen Schuhen verstecken.»
«Das ist ja schon mal ein Anfang!»
Ich lächle erleichtert. Wenn Lisa schon wieder makabere Witze machen kann, ist das schlimmste überstanden.
«Wenn ich es mir recht überlege, hätte es auch wesentlich schlimmer kommen können! Wenigstens war nur meinen Ethiklehrer in deinem Bett. Wenn ich mir vorstelle, du hättest was mit meinem schmierigen Chemielehrer oder dem verstaubten Herrn Pritz aus Mathe, dann würde ich auf der Stelle ausziehen!»
«N a, so gesehen haben wir beide ja noch richtig Glück gehabt!»
Jetzt grinsen wir zusammen.
«Du Mom, da ist ein riesiger roter Fleck am Gartentor! Hast du da Farbe verschüttet, oder was ist das?»
Ich bin geneigt, bei der Version mit der Farbe zu bleiben, aber da sich im Dorf Neuigkeiten rasend schnell verbreiten, wird Lisa früher oder später sowieso erfahren, was passiert ist.
«Ein Fremder hat mich bedroht und Julian hat ihn nieder geschlagen! Der Mann ist mit dem Kopf tödlich gegen den Torpfosten geknallt.»
«Pater Siebert hat sich geprügelt? Wow! Ich dachte der könnte keiner Fliege was zuleide tun!»
«Da hast du ihn wohl gründlich unterschätzt!»
«Hm!», macht Lisa unwillig.
Natürlich ist sie noch nicht in der Gemütsverfassung Julian etwas positives zuzugestehen und das erwarte ich auch nicht. Fürs erste verlief das Gespräch recht vielversprechend und dabei möchte ich es belassen, daher wechsele ich das Thema.
«Wie läuft es eigentlich mit Mike? Alles OK bei euch?»
«Alles im grünen Bereich, Mom! Aber so weit wie ihr sind wir noch nicht gekommen!»
«Lasst euch ruhig Zeit damit, mein Schatz!»
Ich bin froh, dass das Gespräch mit Lisa so gut gelaufen ist und stürze mich am Nachmittag energiegeladen in meine Arbeit. Herr Zweig plant mit mir eine weitere Vernissage mit einer neuen abstrakten Bilderserie und es gibt viel zu tun. So kann ich mich auch etwas von den Gedanken um Julian ablenken. Noch immer weiß ich nicht, wie es mit uns weitergehen wird. Gut, er hat sich eine Woche Bedenkzeit erbeten und wir harmonisieren fast unheimlich gut miteinander, aber wird ihn das von seinem Traumberuf abbringen? Und wenn ja, wenn er deshalb dann irgendwann unglücklich wird, fühle ich mich schuldig daran. Das möchte ich auf keinen Fall. Ich habe schon oft von Priestern gehört, die heimlich eine Geliebte und sogar Kinder mit ihr haben. Aber das ausgerechnet mir das passieren könnte, wäre mir nie in den Sinn gekommen. Der einzige Kompromiss scheint wirklich eine heimliche Beziehung zu sein. Natürlich war das nicht mein Traum, aber bevor ich ganz auf ihn verzichten muss oder er unglücklich wird, bevorzuge ich diese Lösung.
Als ich am Abend alleine im Bett liege, stelle ich mir vor, Julian läge bei mir, ich würde mich an ihn kuscheln. So gerne würde ich einmal mit ihm gemeinsam einschlafen.
Den nächsten Tag verbringe ich damit, auf Julian zu warten. Wir haben keine Uhrzeit ausgemacht und ich laufe immer wieder unruhig zum Küchenfenster, um nach ihm Ausschau zu halten. Es ist Samstag und Lisa unternimmt eine Radtour mit ihrer besten Freundin Rosalie. Ich bin mal wieder alleine zu Hause und drehe fast durch vor ungeduldiger Warterei. Warum zum Teufel habe ich nicht einmal eine Telefonnummer von ihm! Danach muss ich ihn sofort fragen, wenn er denn endlich mal vorbeikommen würde. Es ist bereits Nachmittag und ich habe vor Aufregung außer ein paar
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