Sakuro, der Daemon
Seaborg. Dieser Mann war für John im Augenblick unerreichbar, denn eine Anschrift hatte er nicht hinterlassen.
Wahrscheinlich lebte er, wie viele Studenten, irgendwo in Soho in einer Kommune. Um ihn dort zu finden, brauchte man bald eine ganze Kompanie von Polizisten.
Aber irgendwo mußte es eine Spur geben. Dr. Brandon! Sicher. Damit hatte alles begonnen. Hier wollte John den Faden aufnehmen. Aber Dr. Brandon wohnte, das wußte John auch, fast 200 Meilen von London weg. Der Inspektor. blickte auf seine Uhr. Schon Nachmittag. Wenn er sich beeilte, konnte er es bis zum Abend schaffen. Doch vorher wollte er noch an seiner Wohnung vorbeifahren.
John gab Gas. Er brauchte über eine halbe Stunde, bis er seine Bleibe erreicht hatte.
Als er aus dem Wagen stieg. schälte sich ein blondes Mädchen aus einem Sportflitzer.
Das langbeinige Geschöpf kam direkt auf John zu.
»Mr. Sinclair?« fragte das Girl.
»In Lebensgröße.«
»Ich hätte Sie gern gesprochen. Mein Name ist Sheila Hopkins.«
*
Falls John überrascht war, so zeigte er es wenigstens nicht.
»Aber sicher können Sie mich sprechen«, erwiderte er. »Kommen Sie mit in meine Wohnung. Dort redet es sich besser.«
»Danke, Mr. Sinclair.«
John und Sheila fuhren mit dem Lift nach oben. Während der Fahrt sagte das Mädchen kein Wort. John beobachtete Sheila aus den Augenwinkeln.
Er sah, daß sie nervös war. Sheila knetete ihre gepflegten Hände und hatte dunkle Ränder unter den Augen, die auch eine geschickte Kosmetikerin nicht ganz verdecken konnte.
In seinem Apartment angekommen, bot John seiner neuen Bekannten einen Platz an, servierte ihr einen Whisky, den sie auch dankend annehm, und gab ihr Feuer für eine Zigarette.
»Mein Vater hat mir bereits von Ihnen erzählt«, sagte sie, »und ich glaube, ich kann Ihnen behilflich sein, falls Sie Fragen haben, die Kenneth Brandon betreffen. Wir waren. . . wir sind schließlich miteinander verlobt.« Sheila biß sich auf die Lippen, und John sah in ihren Augen Tränen glitzern.
»Ich hätte Sie sowieso aufgesucht, Miß Hopkins«; erwiderte er. »Ich habe zum Beispiel heute vor, in das Haus der Brandons zu fahren, um dort vielleicht eine Spur zu entdecken.«
Sheila Hopkins blickte auf. »Die Idee ist gut, Mr. Sinclair. Ich werde Sie begleiten.
Vier Augen sehen mehr als zwei.«
»Können Sie denn so ohne weiteres weg?«
»Natürlich. Außerdem geht es um Kenneth.«
»Was war Kenneth für ein Mensch?«
Ein verlorenes Lächeln legte sich um Sheilas Lippen. »Kenneth war nicht so wie die anderen. Er war immer ruhig und in sich gekehrt. Mein Geld interessierte ihn nicht. Er liebte mich wirklich. Kenneth kannte außer mir nur seine Arbeit.«
»Hat er viel mit Ihnen über seine Forschungen gesprochen?« wollte John wissen.
»Nein.«
16
»Aber den Namen Sakuro hat er erwähnt?«
»Ja. Das war aber erst nach der Beerdigung seines Vaters. Die Trauerfeier damals muß ihm einen Schock versetzt haben. Er muß irgend etwas gesehen haben. Seit diesem Tag hat sich Kenneth verändert. Er wurde noch verschlossener. Mir schien es, als ob er Angst hätte, Angst vor geheimnisvollen Mächten. Ich habe ihn oft gefragt, aber nie eine konkrete Antwort bekommen. Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen, Mr. Sinclair.«
»Wie standen Sie denn zu Dr. Earl Brandon?«
»Ich kannte ihn kaum. Kenneth' Vater war durch und durch Wissenschaftler. Er lebte in seiner Welt.« Sheila blickte auf ihre Platinuhr. »Wenn wollten Sie denn fahren, Mr.
Sinclair?«
»Eigentlich sofort«, antwortete John. »Ich möchte mir nur noch eine Zahnbürste mitnehmen. Ich weiß noch nicht, wie lange ich mich in Dr. Brandons Haus aufhalten werde. Sie entschuldigen mich für einen Augenblick.«
Fünf Minuten später war John fertig. Er fuhr mit Sheila nach unten Und schlug vor, seinen Wagen zu nehmen. Das Girl war einverstanden.
Die Fahrt dauerte drei Stunden. John hatte unterwegs einmal angehalten, um etwas zu essen. Auch Sheila hatte eine Kleinigkeit zu sich genommen. John merkte, wie das Mädchen langsam auftaute.
Sheila trug einen dunkelroten Hosenanzug aus weichem Nappaleder, der ihre Figur wie ein Etui umschloß. John mußte anerkennend feststellen, daß Kenneth Brandon einen guten Geschmack bewiesen hatte.
»Weit kann es nicht mehr sein«, sagte John Sinclair.
»Hinter dem nächsten Dorf.«
»Aha.«
John steuerte den Bentley mit mäßiger Geschwindigkeit über die Landstraße. Das Seitenfenster des Bentley war ein Stück
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