Sakuro, der Daemon
heruntergekurbelt. Der Wind, der in den Wagen pfiff, brachte den Geruch von Salz und Meer mit.
Zehn Minuten später stoppte John den silbergrauen Bentley vor Dr. Brandons Haus.
Sheila Hopkins schwang sich aus dem Wagen und öffnete das Tor.
Dann fuhren sie durch den verwilderten Garten zum Haus hoch.
Sheila war merklich blaß geworden. »Es kommt mir alles so unheimlich vor«, sagte sie.
»Früher war es ganz anders. Allein hätte ich mich hier wirklich nicht mehr hingetraut.«
»Angst ist wohl das Vorrecht der Frauen«, meinte John und hielt vor der wuchtigen Eingangstür.
Sheila besaß einen Schlüssel.
Im Innern des Hauses roch es muffig. Sheila schaltete erst einmal überall Licht an.
»Jetzt fühle ich mich wohler.«
»Wo hatte denn Kenneth Brandon sein Zimmer?« erkundigte sich John.
»Oben. Kommen Sie mit. Ich zeige es Ihnen.«
Die breite Treppe war mit wertvollen Läufern ausgelegt. An den Wänden hingen Bilder, die bestimmt ein kleines Vermögen gekostet hatten. Außerdem standen überall auf kleinen Podesten Vasen, Krüge und Töpfe aus der vorchristlichen Zeit. Die wertvollen Gegenstände waren mit Plastikhauben abgedeckt und durch Alarmanlagen gesichert.
»Dr. Brandon war ein fanatischer Sammler«, erklärte Sheila. »Das meiste steht übrigens in Museen.«
Die Tür zu Kenneth Brandons Zimmer stand halb offen.
Sheila bemerkte Johns fragenden Blick und sagte: »Ich habe alles liegen-und stehenlassen und fluchtartig das Haus verlassen. Es war niemand nach mir hier.«
John zuckte die Achseln. »Man kann nie wissen.«
17
Das Zimmer des jungen Brandon sah unordentlich aus. Das Bett war zerwühlt, aufgeschlagene Bücher lagen herum, und auf dem Boden entdeckte John eine zertretene Zigarette.
Langsam ging der ScotlandYard-Inspektor durch den Raum, trat an das hohe Bücherregal und zog die alten Schriften hervor. Die Bücher waren allesamt in einer Sprache geschrieben, die John nicht verstand.
»Das ist Altägyptisch«, sagte Sheila. »Kenneth konnte es lesen.«
John wollte die Bücher schon wieder wegstellen, als ihm etwas auffiel. Zwischen einigen Werken der griechischen Mythologie entdeckte er einen schmalen Schnellhefter.
John zog ihn hervor. Er schlug ihn auf und fand eine Anzahl engbeschriebener Seiten.
»Wissen Sie, was das ist?« wandte er sich an Sheila.
Das Girl kam näher, blickte auf den Schnellhefter und schüttelte den Kopf.
»Keine Ahnung. Aber da fällt mir ein, daß Kenneth manchmal von einer Übersetzung gesprochen hat. Er tat dabei immer sehr geheimnisvoll. Vielleicht hängt es damit zusammen.«
»Möglich«, erwiderte John, setzte sich auf die Bettkante und schlug die erste Seite auf.
Die Überschrift sprang ihm förmlich ins Gesicht:
Sakuro, Dämon mit den blutigen Augen
John atmete tief durch. Sheila, die ihm über die Schulter geblickt hatte, stieß einen leisen Schrei aus.
»Ich glaube, wir kommen dem Rätsel langsam näher«, sagte John. »Diese Aufzeichnungen hier werde ich lesen. Und zwar noch in dieser Nacht. Ich . . .«
„Pst. Haben Sie nicht gehört, Mr. Sinclair?«
“Was?«
„Das Stöhnen. Mein Gott.«
Sheila Hopkins stand vornübergebeugt und lauschte. John legte den Schnellhefter zur Seite und spitzte ebenfalls die Ohren.
Da! Jetzt hörte er es auch.
Es war ein gräßliches Stöhnen und schien aus der Unendlichkeit zu kommen.
Sheila faßte nach Johns Arm. »Ich habe Angst, Mr. Sinclair«, flüsterte sie, schreckliche Angst.«
Johns Körper spannte sich. Seine Augen suchten das Zimmer ab, tasteten sich in jeden Winkel.
»Sheilaaa!«
Die Stimme klang seltsam dumpf und kam aus unendlicher Ferne.
„Sheila! Rette mich! Ich habe solche Schmerzen! Sheilaaa . . .!«
Das Mädchen schrie auf. Ihre Hände krallten sich in Johns Jackett.
Das war Kenneth«« stöhnte sie. “Kenneth Brandon! Mr. Sinclair, das war die Stimme meines Verlobten!«
Sheila Hopkins brach zusammen. Bevor sie jedoch auf den Boden fiel, konnte John sie auffangen. Behutsam legte er das Mädchen auf das breite Bett. Er selbst setzte sich auf einen Stuhl und wartete darauf, daß diese unheimliche Stimme wieder erklang.
Aber nichts geschah.
Schließlich griff John Sinclair nach dem Schnellhefter und begann zu lesen.
Je weiter er las, um so mehr faszinierte ihn diese Geschichte. John Sinclair ge-18
riet in einen regelrechten Rausch. Er hatte plötzlich das Empfinden, daß er alles, was er las, selbst miterleben würde Er fühlte sich in die Zeit des alten Ägypten versetzt.
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