Salambo
Trunkenheit erschienen ihnen die überstandenen Strapazen ungeheuer groà und in keinem Verhältnis zu dem kärglichen Sold. Sie zeigten einander ihre Wunden und erzählten sich von ihren Kämpfen, ihren Fahrten und den Jagden in ihrer Heimat. Sie ahmten das Geschrei und die Sprünge der wilden Tiere nach. Dann kam es zu schweinischen Wetten. Man steckte den Kopf in die groÃen Steinkrüge und trank, ohne abzusetzen, wie verschmachtete Dromedare. Ein Lusitanier, ein wahrer Hüne, trug auf jeder Hand einen Mann und lief so zwischen den Tischen einher, indem er dabei Feuer aus den Nasenlöchern blies. Lakedämonier, die ihre Panzer nicht abgelegt hatten, tanzten schwerfällig herum. Einige sprangen mit unanständigen Gebärden vor die anderen und ahmten Weiber nach. Andere zogen sich nackt aus, um inmitten des Trinkgeräts gleich Gladiatoren miteinander zu kämpfen. Ein Fähnlein Griechen hüpfte um eine Vase, auf der Nymphen tanzten, während ein Neger mit einem Ochsenknochen den Takt dazu auf einem Blechschild schlug.
Plötzlich vernahm man klagenden Gesang, der bald laut, bald leise durch die Lüfte zitterte, wie der Flügelschlag eines verwundeten Vogels.
Es waren die Sklaven im Kerker. Ein paar Söldner sprangen mit einem Satz auf und verschwanden, um sie zu befreien.
Sie kamen zurück und trieben unter lautem Geschrei etwa zwanzig Männer mit auffällig bleichen Gesichtern durch den Staub vor sich her. Kleine kegelförmige Mützen aus schwarzem Filz bedeckten die glatt geschorenen Köpfe. Alle trugen sie Holzsandalen, und ihre Ketten klirrten wie das Rasseln rollender Wagen.
Als sie die Zypressenallee erreichten, mischten sie sich unter die Menge, die sie ausfragte. Einer von ihnen war abseits stehen geblieben. Durch die Risse seiner Tunika erblickte man lange Striemen an seinen Schultern. Mit gesenktem Kopf blickte er misstrauisch um sich und kniff, vom Fackelschein geblendet, die Augen zu. Als er aber sah, dass ihm keiner von den bewaffneten Männern etwas zuleide tat, entrang sich seiner Brust ein tiefer Seufzer. Er stammelte und lachte unter hellen Tränen, die ihm über das Gesicht rannen. Dann ergriff er eine bis zum Rande volle Trinkschale an den Henkeln, hob sie hoch in die Luft mit den Armen, von denen noch die Ketten herabhingen, blickte gen Himmel und rief, das Gefäà immerfort hochhaltend:
âGruà zuerst dir, Gott Eschmun, du Befreier, den die Menschen meiner Heimat Ãskulap nennen! Und euch, ihr Geister der Quellen, des Lichts und der Wälder! Und euch, ihr Götter, die ihr in den Bergen und Höhlen der Erde verborgen lebt! Und euch, ihr tapferen Männer in glänzender Rüstung, die ihr mich befreit habt!â
Dann lieà er das Gefäà sinken und erzählte seine Geschichte. Er hieà Spendius. Die Karthager hatten ihn in der Schlacht bei den Ãgatischen Inseln gefangen genommen. In griechischer, ligurischer und punischer Sprache dankte er nochmals den Söldnern, küsste ihnen die Hände und beglückwünschte sie schlieÃlich zu dem Gelage. Dabei sprach er seine Verwunderung darüber aus, dass er nirgends die Trinkschalen der karthagischen Garde, der Heiligen Schar, erblickte. Diese Schalen, die auf jeder ihrer sechs goldenen Flächen das Bild eines Weinstocks aus Smaragden trugen, gehörten einem Regiment, das ausschlieÃlich aus den stattlichsten Patriziersöhnen bestand. Ihr Besitz war ein Vorrecht, und so war denn auch nichts aus dem Schatze der Republik von den Söldnern heiÃer begehrt. Um dieser GefäÃe willen hassten sie die Garde, und schon mancher hatte sein Leben gewagt, des eingebildeten Vergnügens wegen, aus jenen Schalen zu trinken.
Jetzt befahlen die Söldner, die Schalen herbeizuholen. Die befanden sich im Gewahrsam der Syssitien, 4 der alten Familienverbände. Die Sklaven kamen zurück mit der Mitteilung, zu dieser Stunde schliefen alle Mitglieder der Syssitien.
âSo weckt sie!â riefen die Söldner daraufhin.
Die Sklaven gingen und kehrten mit der Nachricht wieder, die Schalen seien in einem Tempel eingeschlossen.
âMan öffne ihn!â brüllten die Söldner.
Zitternd gestanden nun die Sklaven, die GefäÃe wären in den Händen des Generals Gisco.
âSo soll er sie selber herbringen!â schrien die Soldaten.
Bald erschien Gisco im Hintergrund des Gartens, von einer Leibwache aus Gardisten
Weitere Kostenlose Bücher