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Salve Papa

Salve Papa

Titel: Salve Papa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Kaminer
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nähergekommen, aber mit der Melodica ließen sich wunderbar Feuerwehrsirenen, Krankenwagen und Alarmanlagen aller Art imitieren.
    Die verheerendste Bildungsmaßnahme war aber die Karateschule. Die Idee dafür kam von meiner Frau.
    Dort sollten unsere Kinder lernen, wie man Geist und Körper in Einklang bringt. Zu Hause wollten die Kinder mir sofort das gerade erworbene Wissen vorführen.
    »Stell dich bitte an die Wand, Papa, Hände hinter den Rücken, und bitte die Augen zumachen!«, baten sie mich.
    Nach dieser sehr schmerzhaften Vorführung beschloss ich, es doch beim Basteln zu belassen. Ich werde meine Kinder nie wieder fragen, was sie gelernt haben. Vor allem sollen sie mir nichts mehr zeigen. Ich habe große Schmerzen und Vertrauen in die pädagogischen Absichten des Staates.
     

Menschenrechte
    Menschenrechte verderben den Charakter. Je mehr Rechte einem zustehen, umso rechthaberischer wird man. Ich bin in einer Diktatur aufgewachsen, wir wurden in der Schule nicht über Menschenrechte aufgeklärt. Deswegen ist mir nie eingefallen, die äußerst seltenen Erziehungsmaßnahmen meiner Eltern als Menschenrechtsverletzungen anzuzeigen. Meine eigenen Kinder allerdings terrorisieren mich neuerdings mit Menschenrechten. Deutschland ist keine Diktatur, sondern eine Demokratie, und daher wissen die Kinder schon sehr früh über alles Mögliche Bescheid. Das Programm unserer Grundschulen zum Beispiel ist vielfältig und unübersichtlich. Einmal in der Woche kommt ein Polizist, der den Kindern Verkehrsregeln beibringt, und es kommen die Religionslehrer der verschiedenen Konfessionen mit den neuesten Nachrichten von ihren Göttern. Dazu ein Zahnpflegeaufklärer, dann ein Karatemeister, ein Klarinettist, ein Pazifist, ein Sexualaufklärer und wahrscheinlich neuerdings ein Menschenrechtler.
    Seitdem tagt eine kleine Menschenrechtskommission bei uns zu Hause darüber, ob Cola, Chips und Computerspiele zu den Grundbedürfnissen gehören und auf wie viel Fernsehen pro Tag ein Mensch Anrecht hat. Ich versuche, mich dabei an die UNO-Beschlüsse zu halten. Das Menschenrecht auf sinnloses Zappen durchs Fernsehprogramm habe ich jedoch von Anfang an abgelehnt. Die Welt sieht im Fernsehen so schlecht aus, dass man schon nach ein paar Stunden vom bloßen Zuschauen zum Zyniker und Verbrecher wird. Als technisch begabter Vater habe ich das Fernsehgerät im Kinderzimmer so verstellt, dass nur der Kinderkanal zu sehen ist, egal, auf welchen Knopf man drückt.
    Allerdings verstehe ich die Zeichentrickfilme des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht. Die Figuren reden zu schnell, bewegen sich zu schnell, sind andauernd hysterisch und haben diese entsetzlich hohen Stimmen, die mir Kopfschmerzen verursachen. Die Kultfiguren meiner sozialistischen Jugend -Wolf und Hase aus dem Zeichentrickfilm Nu Pogodi sowie den russischen Winnie Puuh, der eine angenehm verrauchte Stimme hatte – finden meine Kinder zwar nett, aber langweilig. Vor allem erscheint es ihnen unglaubwürdig, dass der Wolf sich so wenig anstrengt, um den Hasen zu kriegen. Sie verstehen nicht, dass ein sozialistischer Wolf seinen Hasen streng nach einem Fünfjahresplan jagt. Ohne große Eile, Schritt für Schritt folgt er dem Hasen durch die sozialistischen Landschaften, die uns so vertraut waren. Der Wolf verfolgte den Hasen zum Beispiel auf einer Baustelle, im Stadion, im Museum, in dunklen Parkanlagen mit Riesenrad oder auf dem Hühnerhof einer Kolchose. Aber egal, wie er sich anstrengte, wir wussten, er kriegt den Hasen nicht. Diese Zeichentrickserie war planwirtschaftlich auf zehn Jahre angelegt, da konnte der Wolf mit Atomraketen auf den Hasen schießen, es hätte ihm nichts gebracht. Und das gab dem Hasen und uns Zuschauern eine gewisse Sicherheit. Heute kämpfen die Zeichentrickfiguren im Universum mit Laserschwertern, sind alle unsterblich oder gehen schon in der ersten Staffel drauf.
    Die Lieblingsfigur meiner Kinder sieht aus wie ein Stück Käse. Sie hat Augen wie eine Kuh, Beinchen wie eine Ameise und wohnt auf dem Meeresboden. Die Kinder behaupten, der Käse sei in Wirklichkeit ein Schwamm. Alle Freunde dieses Unterwasserkäses haben Flossen – wie sollen sich Kinder mit diesen Figuren identifizieren können? Natürlich ist es das gute Menschenrecht des Kinderkanals, so etwas zu zeigen. Und ich bin auch kein Taliban, der seinen Kindern Zeichentrickfilme verbieten würde. Sie wollen Schwämme, also bekommen sie Schwämme. Auch wenn sie wie ein Stück Käse

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