Salz auf unserer Haut
Liebe. Und letztlich gibt es nichts Banaleres als eine Möse, es sei denn zwei Mösen; und ein Phallus aus extrasamtiger Herrenhaut wird, wenn seine Zeit gekommen ist, genauso leergepumpt sein wie ein Schwanz der profansten Sorte.
Die Vorsicht würde also dazu raten, die Sache gar nicht erst anzufangen, zumal zwischen den gefährlichen Klippen der Pornographie und des Groschenromans die ganz wenigen Meisterwerke aller Literaturen, die sich lachend über all diese Gefahren hinweggesetzt haben, in kühnem Glanz erstrahlen. Aber erst hinterher, im Falle eines Mißerfolgs, erscheint die Vorsicht als eine Tugend. Ist Literatur nicht immer unvorsichtig? Und schließlich war das Risiko so schön, die ersten Zeilen der unmöglichen Geschichte trotz allem hinzuschreiben: »Ich war achtzehn, als Gauvain in mein Herz und für immer in mein Leben getreten ist. Jedenfalls hielt ich damals für mein Herz, was zunächst nichts anderes war als die Haut…«
I GAUVAIN
Ich war achtzehn, als Gauvain in mein Herz und für immer in mein Leben getreten ist. Aber wir wußten es nicht, er nicht und ich nicht. Ja, doch, mit dem Herzen hat es angefangen, oder mit dem, was ich damals dafür hielt und was zunächst nichts anderes war als die Haut.
Er war sechs oder sieben Jahre älter als ich, und das Prestige des Seemanns und Fischers, der damals schon seinen Lebensunterhalt verdiente, machte mein Ansehen als Studentin, die noch von ihrer Familie abhängig war, wett. Meine Pariser Freunde waren nichts als Grünschnäbel im Vergleich zu ihm, der bereits von seinem Beruf gezeichnet war. Einem Beruf, der aus einem muskulösen Jüngling allzuschnell eine Kraft der Natur macht und vorzeitig einen Greis. Die Kindheit hielt sich noch in seinen Augen, die er abwandte, sobald man ihn ansah; die Jugend konnte man von seinem arroganten Mund ablesen, dessen Winkel sich nach unten zogen, und männliche Kraft verrieten sowohl die breiten Hände, die aussahen, als seien sie vom Salz erstarrt, als auch der schwerfällige Gang: Jeden Schritt sicherte er ab, als glaubte er sich ständig auf Deck eines Schiffes.
Als Kinder hatten wir uns mißtrauisch als die Vertreter zweier unverträglicher Spezies betrachtet, er in seiner Rolle als bretonischer Junge, ich als Pariserin, und dies vermittelte uns die beruhigende Gewißheit, daß sich unsere Wege niemals kreuzen würden. Hinzu kam, daß er der Sohn armer Bauern und ich die Tochter von »Touristen« war ‒ dies schien er für unseren Hauptberuf zu halten, jedenfalls entsprach es in seinen Augen einer Lebensart, die ihm wenig Achtung einflößte.
Während der seltenen Mußestunden spielte er leidenschaftlich Fußball mit seinen Brüdern, was mir als der Gipfel der Banalität erschien; oder aber er holte Vögel aus ihren Nestern oder schoß auf sie mit einer Steinschleuder, was ich abscheulich fand. In der übrigen Zeit raufte er mit seinen Kameraden oder bedachte meine Schwester und mich mit Schimpfwörtern, jedesmal wenn er uns über den Weg lief, was ich als männlich, also verabscheuenswert verurteilte. Er war es, der die Reifen meines ersten Fahrrads aufschlitzte ‒ natürlich war es ein Reiche-Mädchen-Fahrrad und somit ein Affront gegen die klapprige Rollkiste, mit der er und seine Brüder rasselnd die einzige Dorfstraße hinunterfuhren. Sobald seine Beine dann lang genug geworden waren, hatte er sich auf dem armseligen Fahrrad seines Vaters abgestrampelt, einem auf seine unerläßlichen Bestandteile beschränkten Gerippe, das er heimlich entwendete, wenn Vater Lozerech seinen Samstagabendrausch im Straßengraben ausschlief. Wir hingegen, wir steckten mit Hilfe von Wäscheklammern Postkarten auf die Speichen unserer blinkenden Chromräder mit Schutzblech, Gepäckträger und Klingel, um mit dem motorähnlichen Geknatter die Brüder Lozerech zu beeindrucken, die uns souverän mißachteten.
Es gab eine Art stillschweigende Vereinbarung, nach der wir lediglich mit der einzigen Lozerech-Tochter spielten, der jüngsten dieser »Kaninchen-Familie«, wie mein Vater verächtlich sagte; sie war ein reizloses blondes Geschöpf und trug den in unseren Augen unmöglichen Vornamen Yvonne. Ich habe es schon gesagt: Alles trennte uns.
Mit vierzehn oder fünfzehn verschwand Gauvain aus meinem Blickfeld. Im Sommer fuhr er bereits als Schiffsjunge auf der Vaillant-Couturier * , dem Fischkutter seines ältesten Bruders, zur See. Dieser Name gefiel mir, denn ich war lange überzeugt, daß es sich dabei um einen tapferen
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