Salz auf unserer Haut
es jemals mit einem Mann tun zu können. Man kann viele Männer gekannt und geliebt haben, ohne jemals die Ufer dieser ruhigen Selbstverständlichkeit zu erreichen. Gauvain könnte sie, ja möchte sie ihr Blut zeigen, so sicher ist sie seiner Zärtlichkeit für jede Unebenheit, jedes Haar, jedes Gesichtverziehen, jede Geste, jeden Fehler an ihr. Er ist einer der seltenen Männer für das »Nachher«, als bliebe noch immer genügend Begehren in ihm, um die Freude am Streicheln, am Küssen, am Flüstern nicht erlöschen zu lassen. Manchmal ist es fast nicht auszuhalten.
»Sag mir, Lozerech, diese Frage stelle ich mir oft: Glaubst du, daß wir uns ›deshalb‹« ‒ George drückt mit ihrem Zeigefinger auf die gekrümmte Sardelle, die auf Gauvains Schenkel liegt ‒ »diese ganzen Kombinationen ausdenken und kleine Berge versetzen, um uns zu treffen? Nur um unseren niedrigsten Instinkten zu gehorchen, den Bedürfnissen unserer Körper, unserer Haut sozusagen?«
»Ich glaube, es kommt von weiter her. Von etwas, was tiefer liegt.«
»Wie, wenn das Tiefste an uns nun gerade die Haut wäre? Wenigstens der Körper weiß, was er will. Er ist nicht anfällig fürs Räsonieren, er ist unerbittlich, der Körper. Der Gedanke gefällt dir wohl nicht? Dir wär's lieber, wenn ich von der Seele sprechen würde, wie?«
Gauvain fährt sich mit den Fingern durchs dichte Haar, als wollte er Ordnung in seine Gedanken bringen. Jedesmal, wenn er denkt, fummelt er an seinen Haaren herum.
»Ich kann es einfach nicht hinnehmen, von etwas bestimmt zu werden, das ich nicht verstehe, das ist alles.«
»Und du behauptest, den Glauben zu verstehen? Oder die Liebe, wenn sie dich dazu bringt, verrückte Dinge zu tun?«
»Nein, das ist es ja, nichts verstehe ich. Wenn ich bei dir bin, geht es so einigermaßen, dann stelle ich mir keine Fragen mehr. Aber wenn ich alleine bin, geht es mir unentwegt durch den Kopf. Ich hab' ganz einfach das Gefühl, ich bin nicht mehr der Käpt'n an Bord, verstehst du!«
»Bei mir ist es ganz das Gegenteil: Ich habe den Eindruck, endlich eine der Weisheitslehren des Lebens zu verstehen. Diese Beziehung, die wir erleben, ist so stark wie eine mystische Kommunion. Es ist, als hätte die Natur ein Dekret erlassen und man würde es akzeptieren. Und das ist sehr selten, daß man auf sie hört, auf die Dekrete der Natur.«
Gauvain hört zu, er ist zugleich in seiner Überzeugung erschüttert und mißtrauisch. George ist im Begriff, ihn mit ihren schönen Reden einzuwickeln. Was wird davon übrigbleiben, wenn er sich nachts ruhelos in seiner Koje wälzen und keinen Schlaf finden wird, wenn er sich wieder einmal fragen wird, ob er ein Schwächling oder ein Schwein ist, vermutlich beides, weil es ihm nicht gelingen will, unter dieses Verhältnis einen Schlußstrich zu ziehen. Dieses Verhältnis, von dem er sich mit Bedauern eingesteht, daß es das Salz seines Lebens ist.
»George, wirst du unsere Geschichte eines Tages aufschreiben?« fragt Gauvain zu ihrer Verblüffung ein paar Tage später, während sie am künstlich blauen Swimmingpool des Clubs liegen und reden. Orangebraune Pepsi-ColaSonnenschirme spenden den nötigen Schatten. Aber diese Häßlichkeit muß man genießen und den Kelch bis zur Neige leeren. Es ist eine gar köstliche Kunst, von Zeit zu Zeit das zu tun, was man verabscheut.
An jenem Abend sieht Gauvain wie ein schöner Amerikaner aus mit seinem rosaroten Polohemd ‒ eine Farbe, die zu tragen ihm nicht im Traum eingefallen wäre ‒ und der SeersuckerHose, die sie ihm ebenfalls aufgeschwatzt hat; dazu das satte, wohlig entspannte Aussehen, das ausgiebige Liebe verleiht; schließlich seine so bretonische Art, ihren Namen am Ende mit einem harten Zischlaut auszusprechen, die sie ihm ganz und gar ausliefert.
»Sag, schreibst du sie eines Tages auf?«
»Was soll ich denn schreiben? Sie gehen ins Bett, sie stehen auf, sie gehen wieder ins Bett, sie vögeln und vögeln wieder, er beglückt sie, sie beglückt ihn, er macht Augen wie ein verliebter Stockfisch…«
»Für einen Seemann paßt das ja ganz gut.«
»Du hast alles, nur keine Fischaugen.«
»Die Thunfische haben sehr schöne Augen, weißt du, schwarz mit einem silbernen Rand. Im Wasser, meine ich natürlich. Du hast sie noch nie lebend gesehen, also kannst du's nicht wissen.«
»Mag sein, aber ich weiß, daß du ganz lüsterne Augen hast, nicht im Wasser, sondern in der Luft! Wenn du bei mir bist, möchte ich auf jeden Fall immer schreien: ›Ja…
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