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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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flüstert Gauvain, ehe sie ineinander einschlafen, während draußen ein kurzer, heftiger Regenschauer die Luft abkühlt.
    Am folgenden Tag sind ihre Augen blauer und ihre Körper entspannter. Gauvains stetes Verlangen sorgt dafür, daß George zusehends schöner wird. Wie Alice im Wunderland ist sie auf die andere Seite des Lebens gelangt, dorthin, wo die von oben diktierten Gesetze keine Gültigkeit mehr haben. Für ihn fängt es von vorne an: Was er erlebt, ist die Verneinung all dessen, woran er glauben will, aber er gibt den Kampf dagegen auf. Noch bleiben ihnen neun Tage, um ihrer gegenseitigen Besessenheit zu frönen, und sie betrachten sich mit ungläubiger Dankbarkeit. Wieder einmal fragt sich George, warum sie nicht zu weniger einfältigem Austausch übergehen. »Ach, ihr Armen, ihr seid ja gerade erst bei der Lektion eins des Vögelns angelangt!« würde Ellen sagen, wenn sie sie sähe. Wahrscheinlich leben sie nie lange genug zusammen. Jedesmal fangen sie von Null an mit der Liebe, und jedesmal, wenn sie sich an Verfeinerungen heranwagen könnten, ist die Frist vorbei. Mit Gauvain ist George eine heißhungrige Geliebte, die sich mit den elementarsten Liebkosungen zufriedengibt. Ihr gelüstet nach frischem Bauernbrot und starkem Wein. Zur Nouvelle cuisine wird sie später übergehen. War es denn das, was ihr Vater Nymphomanie nannte? Sie fand das Wort sehr schön, aber er sprach es nur mit einer Grimasse des Ekels aus. Sie besaß Nymphen, anatomisch gesprochen, aber nymphoman zeigte sich Gauvain. Und unschuldig, denn mit den Reizen der Intimität entdeckte er gleichzeitig auch die Furcht, das Perverse zu erfinden.
    »Weißt du was, Karedig?« sagte er ihr eines Abends sehr zögernd. »Vielleicht werde ich dir jetzt merkwürdig vorkommen… aber ich mag unseren Geruch nach der Liebe, seit du mir beigebracht hast, bei dir zu bleiben…«
    George unterdrückt ein Lächeln. Gerührt wie eine Vogelmutter, die ihrem Jungen das Fliegen beibringt, sieht sie ihn an. »Gut so, mein kleiner Kormoran, hab keine Angst, so soll es sein, mach nur weiter so…«
    Schon am zweiten Tag versuchen sie, dem von Coca-Colaund Hot-dog-Verkäufern durchkämmten Strand zu entfliehen, wo ab der Mittagszeit die musikalische Geräuschkulisse von der Bar herüberweht, und sie machen sich auf die Suche nach einem jungfräulichen Stückchen Insel. Ganz weit weg, in Negrin, finden sie es. Dort kostet das Sandkorn nichts, keiner zwingt sie einen Sonnenschirm oder einen Liegestuhl zu mieten, und unter den Mangrovenbäumen, die am Strand Schatten spenden, genießen sie in den Laubhütten die köstliche einheimische Lambris-Suppe, die man in sogenannten seriösen Lokalen nicht zu servieren geruht. Am Abend kochen sie in ihrer Wohnung und gehen anschließend irgendwo im Freien tanzen; dabei erinnern sie sich an ihren ersten Tanz im Ty Chupenn Gwen, wo alles angefangen hat. Als sie nach Hause kommen, beschließen sie, nicht miteinander zu schlafen, weil sie es ja schon um fünf Uhr getan haben und es mitten in der Nacht noch einmal tun werden. Und natürlich tun sie es dann doch. Und das sind immer die schönsten Male. Die Eintönigkeit ihrer Reaktionen entzückt sie. Am Morgen bleibt George im Bett, während Gauvain die Cornflakes und Eggs and Bacon zubereitet. Danach melden sie sich für ein paar Ausflüge an: The Typical Village oder die Wild River Tour, inmitten von gesprächsfreudigen Amerikanern, die your wife sagen, wenn sie mit Gauvain von George sprechen, was er hinreißend findet, Kanadiern, die sich schon am Morgen mit Bier besaufen, und kurzbehosten, kameraschwenkenden Deutschen, die nicht eine einzige Erklärung des Reisebegleiters verpassen wollen. Sie machen eine seltsame Erfahrung: Sie haben so selten nur zusammengelebt, und doch fühlen sie sich so intim verbunden wie ein altes Paar. Zum Beispiel hat George mit keinem Mann das Thema ihrer Periode angeschnitten, hat keinem erzählt, daß sie in den Tagen davor und sogar während immer eine verstärkte Lust empfindet. Ihre Erziehung hat sie daran gewöhnt, solche Fragen zu verschweigen und auch alle erkennbaren Zeichen vor ihren männlichen Partnern zu verbergen. Liegt es nun daran, daß er George so bedingungslos liebt oder daß er dicht an der Natur lebt, jedenfalls scheint Gauvain nicht den geringsten Widerwillen zu empfinden gegenüber den Vorgängen in einem weiblichen Bauch. Er besteht darauf, alles von ihr zu erfahren, und sie spricht mit ihm, wie sie nie gehofft hätte,

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