Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
Vom Netzwerk:
Nachttischchen getrennt. Man schläft nicht gemeinsam hierzulande, man schläft auch nicht miteinander am helllichten Nachmittag. Ein Bidet gibt es nicht. Man muß vorher und nachher entweder unter die Dusche gehen… o welch Aufwand… oder das Waschbecken benutzen, das sich in einer Fensternische befindet, und zwar ohne Vorhang… Unattraktiv! Ob die Amerikanerinnen wohl wissen, daß es nichts Häßlicheres gibt als eine Frau, die sich im Stehen den Hintern wäscht, mit eingeknickten Knien und leicht gespreizten Beinen? Das WC ist genau neben der Badewanne wie in allen Badezimmern der Neuen Welt, damit der Badende möglichst jedes Geräusch aus der Klomuschel mitkriegt. George steht der Topographie der sanitären Anlagen in diesem Land verständnislos gegenüber. »Sogar bei den Bretonen ist das besser«, bemerkt Gauvain. »Dort liegt das Klo hinten im Garten! Wahrscheinlich ›machen‹ die Amis gleich in Plastikverpackungen. Das ist dann so wie bei den Fischfilets, oder hier, schau mal, auf dem Waschbecken, die Zahnputzgläser!«
Da man über die Skatologie am sichersten in kindliche Gemütslagen zurückfindet, lacht George endlich und vergißt Gauvains mangelnde Bildung für diese Nacht. Sie erlaubt ihm sogar, mit ihr zu schlafen. Und um ihre böswilligen Gedanken wiedergutzumachen, wird sie als Buße ein paar Tropfen von ihm schlucken. Aber nein, da kann sie sich noch so anstrengen, köstlich kann sie das nicht finden. Einer echten Liebhaberin ist das nicht würdig, den Spermageschmack nicht zu mögen, sagt sie sich beunruhigt und hält sich zurück, am liebsten würde sie ins Bad laufen und sich den Mund ausspülen. Nicht den Spermageschmack mögen die Frauen, besänftigt sie die Anstandsdame. Den Geschmack der männlichen Lust mögen sie. Das ist nicht ganz das gleiche!
Außerdem ist trocknendes Sperma unangenehm. Auf ihren Schenkeln läßt George es zu, aber nicht als Klebeschicht auf ihrem Kinn. Vielleicht sträuben sich die Frauen auch, diese Abermillionen von kleinen Kindern aufzufressen, selbst wenn es nur halbe Portionen sind, die dann wie Kaulquappen im Magen weiter herumzappeln. George fühlt sich nicht zur Menschenfresserin berufen. Zu gar nichts fühlt sie sich in dieser Nacht berufen.
    Eine kurze Nacht, denn am nächsten Morgen stehen sie bereits um sechs Uhr Gewehr bei Riß, bereit für den Ausflug Nummer vier, zwei Tage Disneyland, in Gesellschaft einer Kompanie von Eltern, die dem Turm von Babel entstammen, wenn man nach der Anzahl der vertretenen Nationen schließt; die zahllosen mitgeführten Kinder sind zum größten Teil schon als Mickymaus oder als Donald Duck verkleidet. Auf die Wägelchen einer falschen echten kleinen Dampfeisenbahn gehievt, gelangt die Gruppe Nummer vier (»Bitte behaltet auch eure Stickers am Revers, Leute!« befiehlt der Führer) in die Nähe einer neugotischen, rosaweißen mittelalterlichen Burg, die mit ihren Erkertürmchen hoch über die Main Street ragt. An den Häusern, die diese Main Street säumen, ist alles unecht, nur die Läden nicht, die für echte Dollars echten Scheißdreck verkaufen.
    Die Tour Nummer vier schließt sämtliche Attraktionen der Zauberwelt ein. Eine Sternfahrt in einer echten Rakete mit Beschleunigungseffekt und optischer Täuschung bei sich entfernendem Erdball: drei Minuten, dreißig Sekunden. Die Marslandung: zwei Minuten.
    Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer: sechs Minuten, fünfzehn Sekunden, das Ganze inmitten von Meeresgespenstern, die sogar ein Kurzsichtiger aus zehn Metern Entfernung als künstlich erkennen würde. Und dann vor allem der kulturelle und patriotische Hauptgang dieser Orgie: das Animatronic der amerikanischen Präsidenten, flache Gedanken auf Riesenleinwand und lebensgroße Automaten. Ein wächserner Lincoln hält eine lange Moralpredigt, aber es wird nicht erklärt, daß er ermordet wurde, das könnte ja das junge Publikum traumatisieren. Zum Schluß erinnern die fünfzig amerikanischen Präsidenten vor dem Hintergrund des Sternenbanners daran, daß man in dem schönen Land, das die Freiheit erfunden hat, lieb und brav sein muß.
    Schon am Morgen hat George angefangen herumzunörgeln. Nichts findet vor ihren Augen Gnade, schon gar nicht Gauvains bewunderndes Staunen. Er geht herum mit weit aufgerissenen Augen und offenem Mund wie alle anderen kleinen Jungs aus aller Herren Länder, die die gleiche Begeisterung vereint und die darüber sogar vergessen, sich den Bauch mit Popcorn vollzuschlagen, und die ihre ice cream

Weitere Kostenlose Bücher