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Salz auf unserer Haut

Salz auf unserer Haut

Titel: Salz auf unserer Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benoîte Groult
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Wellen arbeitet…«
»Wellen? Die hörst du nicht einmal«, sagt Gauvain höhnisch. »Also dich würde ich gerne mal an Bord sehen, nur acht Tage lang! Alle Motoren laufen ununterbrochen vierundzwanzig Stunden: die von den Tiefkühlaggregaten für den aufgeschichteten Thunfisch, die, die das Eis machen für die Pökelfächer, und wenn es draußen vierzig Grad warm ist, müssen die ganz schön was abgeben! Und zu alledem die Schiffsmotoren: an die zwanzigtausend PS. Und dann noch der Hubschrauber, mit dem man die Fischschwärme ortet, den hab' ich ganz vergessen. Was den Radau betrifft, schlägt der sämtliche Rekorde. Am Ende weißt du überhaupt nicht mehr, wo du bist, und du weißt auch nicht, was schlimmer ist: der Maschinenraum, wo es fünfundvierzig Grad warm ist, oder die Gefrierräume, wo sich das Eis an den Wänden abgesetzt hat. Und sogar wenn du im Hafen liegst, hast du noch den Motor der Klimaanlage, und schließlich den Motor des Krans, der den Fisch in Form von Zweitausend-Kilo-Paketen aus den Laderäumen herausbefördert. Ich war daran gewöhnt, mit Fischkörben zu hantieren, den Fisch direkt reinzuholen. Ich mag nicht gern im Dienst von Maschinen stehen. Nein wirklich, um unter solchen Umständen zu arbeiten, muß man verrückt sein. Auf jeden Fall bin ich zu alt dazu. Und da es sowieso bald keinen Thunfisch mehr gibt… Na ja, mir scheißegal, bis dahin bin ich pensioniert.«
Ich habe mich damit abgefunden, nicht zu schlafen, und das Licht wieder angemacht. Die Luft ist lau in dieser Nacht, und wir lehnen am Fenster des kleinen Mansardenzimmers, das über die ineinandergeschachtelten Dächer von Vézelay auf die sanften Hügel hinausblickt, auf diese reglose Landschaft, die sich schweigend vor Gauvains Augen ausbreitet ‒ der Inbegriff der Ländlichkeit und des bäuerlichen Friedens, wovon er vermutlich in Schlechtwetternächten manchmal träumt. Aus seiner Jackentasche hat er eine Zigarette geholt, zum erstenmal seit ich ihn kenne. »Darf ich?« fragt er. »Entschuldige, es ist die Nervosität.«
»Insgesamt bist du also unglücklich dort?«
»Das will ich nicht sagen.«
Immer diese Sorge, das eigene Leid nicht überzubewerten. Aber heute abend kann nicht einmal die Liebe etwas für ihn tun, was er braucht, ist ein aufmerksames Ohr.
Am nächsten Tag scheint Gauvain von einem Teil seiner Last befreit. Wir machen ein Picknick im Freien, das aus Brot und luftgetrockneter Wurst, Käse und Obst besteht, und anschließend schleppe ich ihn zu ein paar »alten Steinen«, wie er sagt. Es ist das erstemal, daß wir unser Land gemeinsam besichtigen, und zu einem anderen Zeitpunkt würde er es genießen. Ich bediene mich übrigens sämtlicher Tricks meines Metiers, um ihn zu interessieren. Sogar Vauban besuchen wir er kennt ihn von der Ville Close her ‒, der hier in einer kleinen Kapelle begraben liegt, die er sich weit vom Meer hat errichten lassen, am Fuße des Schlosses von Bazoches, das er gekauft hatte und das wie so viele Baudenkmäler dieser Gegend aus dem zwölften Jahrhundert stammt.
Unsere langen Fußmärsche durch diese so ländlichen Landschaften, die ständige und besänftigende Gegenwart der Vergangenheit beruhigen allmählich die Seele meines Meeresvogels. Ein kindlicher Zug kehrt in sein Gesicht zurück, aber seine Augen scheinen weniger blau. Das gibt es, solche Wasseraugen, die verblassen, wenn sie auf dem flachen Land sind. Nur wenn sie das Blau des Meeres widerspiegeln, haben sie ihre ganze Leuchtkraft.
Am dritten Abend, der schon unser vorletzter war, wurde Gauvain plötzlich von einer Eingebung erfaßt, als ob er bei mir eine gewisse Enttäuschung gespürt hätte in Anbetracht der uns bevorstehenden Monate des Getrenntseins und des Schicksals unserer Liebe, die nicht voll und ganz weiterleben, aber auch nicht endgültig absterben wollte.
»Ich muß dich etwas fragen«, sagte er, während wir noch bei einem jener raffinierten Essen saßen, die einem die Illusion vermitteln, man werde einen Grad intelligenter. »Wärst du einverstanden, mich noch einmal in Mahé zu besuchen? Wir hören unmittelbar vor dem Monsun auf, und es ist anzunehmen, daß ich dann ein wenig Zeit habe. Ich weiß ja, daß es sehr weit ist, aber…«
Er seufzte. »Ich muß dort so viel an dich denken, wie du warst, an das, was wir zusammen gemacht haben… Das sind nicht mehr die gleichen Inseln ohne dich… Nun ja, also wenn du kommen tätest, ich glaub', ich könnte nächste Woche mit froherem Herzen

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