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Salz der Hoffnung

Titel: Salz der Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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dein Werk sein, Ettie.« Er lehnte sich zurück und zog die Stirn in Falten. »Aber was ist mit ihren Schulbüchern? Ein Mädchen kann doch nicht ohne Papier und Bleistift in die Schule gehen.«
            Regal erschrak. Sie hatte gedacht, diese Sachen würde sie vom Pringle-Seminar für junge Damen gestellt bekommen. Sie zog eine Hand aus ihrem Muff und saugte nervös an den Fingerknöcheln.
            Aber dann lachte Großvater, griff unter seinen Schreibtisch und förderte einen kleinen Lederranzen zutage. »Sieh mal her.« Er öffnete den Ranzen, und sie spähte hinein. Erleichtert entdeckte sie einen Griffelkasten und einige Schulbücher.
            »Du kannst dich glücklich schätzen«, belehrte Großmutter sie. »Du hast alles bekommen, was du brauchst, dein Großvater war sehr großzügig zu dir.«
            Selig nahm Regal ihren Ranzen entgegen. Sie hätte gerne ihre Arme um Großvaters Hals geschlungen und sich bedankt, hätte sie beide gerne geküßt für die wunderbaren Geschenke, aber die beiden waren so groß und so unnahbar, und außerdem war sie zu beschäftigt mit den komplizierten Schnallen ihres Schulranzens.
            »Und? Was sagt man?« fragte Großmutter scharf. »Wir warten. Du könntest dich zumindest bedanken.«
            »Das wollte ich ja gerade«, verteidigte sie sich entrüstet.
            Aber Großmutter schüttelte den Kopf. »Sei ja nicht vorlaut, Missy. Sie werden allerhand zu tun haben, dir Manieren beizubringen in dieser Schule. Aber du wirst es schon lernen.«
            »Für das Geld, das sie verlangen, sollen sie sich nur ordentlich bemühen«, bemerkte Großvater und wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. Die Unterhaltung war somit beendet.
            »Du kannst es dir schließlich leisten, Jasper«, erwiderte Großmutter gereizt und führte Regal hinaus.
            Jessie wartete schon mit Großmutters Umhang und dem großen Hut mit den Satinbändern, und sie sahen beide zu, während Großmutter ihn zurechtrückte und mit einer perlenverzierten Hutnadel feststeckte. Schließlich reichte Jessie Großmutter die glitzernde Diamantbrosche in der Form eines Schmetterlings, die sie sich an den Kragen ihres Umhangs steckte. Sie überprüfte ihre Erscheinung im Spiegel der Eingangshalle und beugte sich, nachdem sie alles zu ihrer Zufriedenheit gefunden hatte, zu Regal hinab und zupfte ihren Mantel zurecht. »Gib ja gut auf diesen Mantel acht. Es wird nicht viele Mädchen in der Schule geben, die einen solchen Mantel besitzen. Es ist das beste, wenn man ihnen von Anfang an zu verstehen gibt, daß die Hayes’ eine Familie von Bedeutung sind in Boston. Diese Leute von der Schule wissen vielleicht noch nicht, wer wer ist in der Stadt, die Schule ist ja noch neu. Hast du dein Taschentuch?«
            »Ja.«
            »Gut. Du siehst ordentlich aus. Vergiß nicht, spare niemals an deiner Kleidung. Dein Äußeres kann dein bester Fürsprecher sein.«
             
            Das Zimmer der Direktorin war von einem warmen Licht erfüllt, und es roch nach frischer Farbe und Möbelpolitur. Die Dame, die sie zu den zwei Stühlen vor dem mit Büchern und Papieren übersäten Schreibtisch geführt und dann selber dahinter Platz genommen hatte, trug ein strenges, schwarzes Sergekleid – ein auffälliger Kontrast zu der Vase mit den cremeweißen Rosen, die auf einer halbhohen Säule in einem Erker stand.
            Regal kannte ein paar der Mädchen, die diese Schule besuchten, und sie war enttäuscht gewesen, keine von ihnen zu sehen, als sie die Auffahrt entlangkamen. Es war geradezu unglaublich still für eine Schule. Sie hatte geglaubt, in Schulen gehe es stets geräuschvoll und lebhaft zu – so war es ihr jedenfalls erschienen, wann immer sie an einer vorbeigegangen war. Aber vermutlich waren um diese Zeit alle Schülerinnen beim Unterricht. Es war zehn Uhr morgens am schönsten Tag ihres Lebens, ihrem neunten Geburtstag. Bis heute war sie nur von Hauslehrern unterrichtet worden.
            Die Direktorin unterhielt sich mit Großmutter, und Regal wünschte, die beiden Damen kämen endlich zum Ende und würden ihr erlauben zu gehen, damit sie diesen interessanten Ort erkunden könnte. Hier gab es sogar einen richtigen Glockenturm! Sie hockte still auf der Kante des harten Stuhls und schwitzte in ihrem neuen Mantel, aber sie wagte nicht zu fragen, ob sie ihn ausziehen dürfe.
           

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