Salz und Asche - Roman
dass er seine Gesellenprüfung machen und die anspruchsvollen Arbeiten tun konnte. Das Feuer zu bewachen oder Eisen und Wasser zu schleppen genügte ihm schon lange nicht mehr. Meister Schmitt würde vielleicht einen neuen Lehrling aufnehmen und dann überlegen müssen, ob er einen von ihnen fortschickte. Denn die Aufträge wurden nicht mehr, der Stadt ging es nicht gut. Und die ganze Grapengießerstraße hallte von den Schlägen emsiger Metallarbeiter, die gossen und schmiedeten, was das Zeug hielt, damit sie die Ersten und Besten im Wetteifern um die Kunden waren.
Wenn nichts geschah, was Albert beim Meister in Misskredit brachte, hatte Jan schlechte Karten. Denn gleichgültig, wie hohe Stücke Schmitt auf seine Arbeit hielt, Albert war für sein Alter ebenfalls gut. Außerdem war er der Sohn eines verstorbenen Lüneburger Hufschmieds. In Alberts Lebenslauf gab es keine Schatten, er konnte vielleicht
sogar eines Tages selbst Meister werden und die Schmiede übernehmen, wenn Schmitt kinderlos blieb. Er würde einen geachteten Bürger der Stadt abgeben.
Jan konnte davon nur träumen. Selbst wenn er härter dafür arbeitete und sich noch tadelloser verhielt als Albert, würde er dieses Ziel nicht erreichen. Er würde immer der Fremde mit der anrüchigen Vergangenheit bleiben, dem man keine ehrenvollen Titel antrug.
Warum konnte Albert nicht wenigstens ein bisschen schlicht im Kopf sein, so wie Rudolf?
Jan wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Kundschaft den Hof betrat. Er stand auf, rollte seine Hemdsärmel über die Oberarme herunter und zog den Ausschnitt zurecht.
Es waren zwei von den jungen Büttners, die da auf ihn zuspazierten. Auch sie würden keine Schwierigkeiten haben, zu geachteten Bürgern der Stadt zu werden, obwohl ihre alteingesessene Familie anders war als andere. Von Fassmacher Büttners Geschäftstüchtigkeit und Ehrgefühl sprach man mit Respekt, auch wenn im gleichen Atemzug auf seine merkwürdige älteste Tochter angespielt wurde. Drei Tage lang sei sie tot gewesen, dann wieder erwacht. Manche nannten das ein Wunder, andere nannten es Hexerei, wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. Alle sagten aber, es wäre ein Jammer, dass es nun schwachsinnig wäre, das schöne Kind.
Jan fand sie auch schön, aber er zog ihre Schwester vor, die ihm nun gleich gegenüberstehen würde. Susanne sagte nie viel zu ihm, wenn sie in die Schmiede mitkam, aber mit dem Meister, Albert oder Rudolf wechselte sie gelegentlich ein paar Worte. Deshalb wusste er, dass sie nicht unnahbar war. Es lag an ihm, dass sie sich nicht unterhielten. Was
hatte es für einen Sinn, Gespräche mit ihr zu führen, wenn er ihr doch nicht näherkommen durfte?
»Sei gegrüßt, Jan Niehus, Meister der Eisenschnörkel«, begrüßte Till Büttner ihn.
»Sei gegrüßt, Meister des Werkstattbesens. Hast du einen Auftrag, oder kommst du nur, um Spaß mit mir zu haben?«
»Kann man Spaß mit einem haben, der einen Zwölfpfundhammer zum Nüsseknacken benutzt?«
»Unsere Hausherrin nimmt einen zum Teigrühren.«
Sie lachten beide, erst dann nickte Jan Susanne zu. Flüchtig sah sie ihm in die Augen und gleich wieder zu Boden. Sie hatte nicht mitgelacht, lächelte aber. Es war ihrem Gesicht anzusehen, wie gern sie sonst lachte. Fast tat Jan ihr Anblick weh, sie gefiel ihm wirklich. Weiche Rundungen hatte sie, und sie bewegte sich so frei, als könnte sie jeden Moment loslaufen. Manche Mädchen gingen immer verkrampft einher.
Er hätte gern gewusst, welche Farbe ihre Augen genau hatten, aber sie sah ihn nie so lange an, dass er es hätte erkennen können. Und natürlich starrte er sie ebenfalls nicht an. Es führte zu nichts. Vielleicht würde er sich nie erlauben können, überhaupt einem Mädchen den Hof zu machen, und ganz sicher nicht ihr. Er würde für immer Geselle bleiben, und Schmiedegesellen durften in dieser Stadt nicht heiraten.
»Braucht euer Vater nur Fassbänder? Dann kannst du es auch mir sagen«, wandte er sich an ihren Bruder.
»Er will noch einen neuen Spundlochfasslöffel, den sollst du ihm machen«, sagte Till.
Nun lachte Susanne. »Was redest du denn da, du alter Fopphansel? Spundlochfasslöffel!«
Jan grinste. »Warte, ich fasslöffle ihm gleich eins.«
Die Hammerschläge in der Schmiede verstummten, und Meister Schmitt erschien im Tor. »Tach, die Herrschaften. Jan, du kannst jetzt weitermachen, wir sind so weit. Lass aber das Katzenvieh draußen. Das unvernünftige Biest fängt sonst eines Tages noch mal
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