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Salz und Asche - Roman

Salz und Asche - Roman

Titel: Salz und Asche - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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die an den ungünstigsten Stellen standen, veränderten sich zunehmend und wurden immer schiefer, was sie beide gern beobachteten. Einige Gebäude hatten von der Vorderseite zur Rückseite ein Gefälle bekommen. Legte man dort eine Murmel auf den Boden, rollte sie vom einen Ende des Flurs bis zum anderen.
    Viele dieser Häuser standen bereits leer, weil es den Leuten über geworden war, mit den schiefen, brüchigen Wänden und Böden zu leben, oder weil der Rat beschlossen hatte, sie zu räumen.
    Gerade eben schien es sich wieder um eine solche Räumung zu handeln. Vor einer der schmalen, niedrigen Türen stand ein Karren, der mit einem bescheidenen Hausstand beladen war. Drei Kinder mit bedrückten Mienen hielten sich an seinen Holzsprossen fest, als würden sie fürchten, andernfalls zurückgelassen zu werden. Neben ihnen hatte sich ein Büttel mit einer Hellebarde in der Hand postiert. Sein rotes Wams leuchtete vor den unscheinbaren Farben der Fuhre.
    Aus dem Haus drang eine schluchzende Frauenstimme auf die Gasse. »Vier Generationen!«, jammerte sie immer wieder.
    Ein Mann murmelte beruhigende Worte. »Es ist nur ein Haus. Nur ein Haus«, hörten sie ihn sagen, als das Paar aus der Tür trat. Hinter ihnen verschloss ein zweiter Büttel in rotem Wams die Tür und nagelte einen Zettel daran. Die gleichen Bekanntmachungen hingen bereits an den Türen zur Rechten und Linken des Hauses.
    Sicher würde bald die ganze Straßenseite leerstehen, und dann würde der Rat die Häuser abtragen lassen. Susanne
dachte an die Risse, die das Haus ihrer eigenen Familie aufwies. Glücklicherweise schien sich der Untergrund in ihrer Straße beruhigt zu haben.
    Till und sie grüßten die Leute im Vorübergehen, doch die waren ganz mit ihren Sorgen beschäftigt und nickten kaum zurück.
    »Ich habe mir die leeren Häuser alle schon von innen angesehen«, sagte Till leise. »Es gibt da noch eine Menge gutes Holz. Was meinst du, wer am Ende den Gewinn davontragen wird? Wohl nicht die Besitzer.«
    »Es ist verboten, hineinzugehen, Till«, sagte sie. Dabei hatte sie längst vermutet, dass ihr Bruder in den Häusern gewesen war. In der Regel setzte Till die verbotenen Wünsche in die Tat um, von denen auch sie sich verlockt fühlte.
    »Ich weiß nicht, was daran gefährlich sein soll. Die Häuser werden nicht plötzlich einstürzen.«
    »Warum nicht? Außerdem genügt es ja, wenn dir Steine auf den Kopf fallen. Denk doch an die Marienkirche. Wie oft sind da schon Steine losgebrochen.«
    Till lachte. »Ach, Suse! Das ist doch etwas anderes als diese Häuschen. Da fällt dir eher Mäusedreck auf den Kopf. Früher, als du klein warst, wärest du als Erste drin gewesen.«
    Darauf erwiderte sie nichts. Till wäre nicht weniger unangenehm berührt gewesen als der Rest ihrer Familie, wenn sie sich je so ungezwungen verhalten hätte wie als Kind. Er zog sie auf und wusste doch genau, dass sie als junge Frau anderen Regeln zu gehorchen hatte als ein Kind oder als er selbst.
     
    Zwei Tage nach dem Besuch in der Schmiede ging Martin Büttner, um die bestellten Fassreifen abzuholen, kehrte jedoch
mit einem leeren Handwagen zurück. Statt der Reifen brachte er schlimme Nachrichten mit. Man hatte einen weiteren Toten gefunden, und daraufhin war Albert verhaftet und eingesperrt worden.
    Der Leichenfund war gerade für die Fassmacher besonders pikant. Obwohl das traditionelle Fest der Kopefahrt seit langer Zeit nicht mehr gefeiert wurde, hatten die Böttcher vor einigen Jahren aus einer Schnapslaune heraus ein riesiges Kopefass gebaut. Damals, zu Kopefahrt-Tagen, wären schwere Pferde vor das mit Steinen gefüllte Fass gespannt worden. Inmitten bunter Feierlichkeiten hätten die Söhne der Sülfmeister es dann triumphal und laut polternd im Galopp durch die Stadt geführt. Doch die jungen Sülfmeister-Anwärter hatten es nicht mehr nötig, sich auf diese Art als würdig zu beweisen. Daher feierten die Böttcher nur ein letztes Mal mit einem Kopefass unter sich ihre Handwerkskunst. Anschließend verkauften sie das Fass an Henrich Visculen, der seinen Hof im Wasserviertel an der Ilmenau hatte und das Riesending ebenso aus Tollerei erwarb, wie es aus Tollerei gebaut worden war.
    Das Fass hatte langsam verrottend und wenig beachtet in einem Innenhof der Visculschen Salzspeicher gestanden, bis am Vortag jemand auf den Gestank aufmerksam geworden war, der davon ausging. Die letzten beiden Bretter des bereits zerstörten Deckels wurden herausgebrochen, und man

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