Salz und Asche - Roman
Feuer.«
Minka saß vor Jans Füßen und sah zu ihm hoch. Manchmal glaubte er, dass sie verstand, was Menschen sprachen. »Du bleibst draußen«, befahl er ihr.
»Spar dir die Worte. Wo die Liebe hinfällt, da wächst keine Vernunft«, prustete Till und griff sich die Katze.
Sobald Jan sich abgewendet hatte, drückte Till die Katze, ohne zu fragen, Susanne in die Arme und ging zu Meister Schmitt hinüber.
Das Tier war nicht erfreut darüber, herumgereicht zu werden, und sträubte sich. Susanne hatte Mühe, es festzuhalten, aber immerhin gab ihr das etwas zu tun. Andernfalls hätte sie Jan Niehus nachgegafft, während er zur Hofmauer zurückging, um seine Lederschürze zu holen. Er war ein schöner Mann. Kleiner als ihre Brüder, aber stark. Dunkle Haare, dunkle Augen und ein nachdenkliches, ernstes Gesicht. Er hatte Witz und konnte lachen, auch wenn er nie unbeschwert wirkte.
Wie immer, wenn sie ihn sah, fühlte sie eine seltsame Mischung aus Glück und Furcht. Er konnte nicht viel älter sein als Till, und er benahm sich kaum anders als ihre Brüder, trotzdem schüchterte er sie ein. Sie kannte keinen anderen Menschen, dem gegenüber sie sich so unsicher und unscheinbar fühlte. So musste er sie sehen, denn er hielt es selten für nötig, ein Wort an sie zu richten. Meistens bemerkte er sie kaum.
Die Katze war zu dem Schluss gekommen, dass es auf Susannes Arm doch recht angenehm war, und hielt still. Jan war in die Schmiede gegangen, aus der wieder Hammerschläge zu hören waren, heller und schneller nun als vorher. Till sprach mit Schmitt und brachte ihn zum Lachen.
Susanne wollte sich gerade ein Plätzchen suchen, von dem aus sie besser in die Schmiede spähen konnte, ohne dabei zu sehr aufzufallen, da kam ein Junge auf den Hof. Seinem derben graublauen Kittel und der Kappe nach gehörte er zu den Lastenträgern am Hafen.
»Tach«, sagte er zu ihr. »Ist der Albert to Huus? Ich soll ihn was fragen.«
Sie wüsste es nicht, wollte Susanne sagen, da rief Schmitt schon herüber: »Wat is denn?«
»De Albert. Isser da?«
»Jau.«
Kurz darauf kam der siebzehnjährige Albert aus der Schmiede. Er war stämmiger und plumper gebaut als Jan und hatte einen runden Schädel mit kurz geschorenen blonden Haaren. Verlegen begrüßte er Susanne, bevor er die Hände in die Seiten stemmte und sich unwirsch dem Jungen zuwandte. »Wat is?«
Susanne sah der Miene des Jungen an, dass er Albert auch nicht lieber mochte als umgekehrt. »Wegen der Toten, die sie heut Morgen rausgefischt ham«, sagte er mit gehässigem Unterton. »Dat war die Marianne, wo deine Stiefmutter war. Und die Büttel und alle wolln nu wissen, wo wohl ihr Kerl ist, der Wenzel. Und die Kinner. Ob du’s wüsstest.«
Susanne drückte versehentlich die Katze so fest, dass sie entrüstet aus ihrem Arm sprang und floh.
Noch stärker war die Wirkung der Nachricht auf Albert. Er ließ fassungslos die Arme fallen und starrte den Jungen an, als hätte er nicht verstanden.
»Wat nu? Ja oder Nein?«, fragte der Unglücksbote.
Susanne wollte ihn anfahren, weil er sich so gefühllos benahm, bremste sich aber. Stattdessen holte sie Luft, um Albert ein paar tröstende Worte zu sagen.
Doch da sprach Albert selbst. »Lieber Gott. Was habe ich getan?«
»Du bist blass um die Nase. Hat es dich so mitgenommen, von Alberts Stiefmutter zu hören?«, fragte Till Susanne auf dem Heimweg.
»Ihre Leiche war kein schöner Anblick. Der arme Albert«, sagte sie, obwohl das nicht der Grund für ihre Erschütterung war. Was habe ich getan? Was hatte Albert damit gemeint? Er hatte ohne ein weiteres Wort mit dem Jungen den Schmiedehof verlassen. Vielleicht hatte sie sich verhört, hatte sie gedacht, und den anderen Männern bloß von der schlimmen Nachricht erzählt, die Albert erhalten hatte.
»Ich glaube, er hing nicht an ihr. Nachdem sie wieder geheiratet hatte, war Albert nicht mehr oft bei ihr. Konnte den Kerl nicht leiden, sagte er mal. Mehr weiß ich nicht. Ich unterhalte mich lieber mit Jan Niehus, der macht mir mehr Spaß. Was hast du eigentlich gegen den?«
Susanne sah ihren Bruder überrascht von der Seite an. »Gar nichts. Wie kommst du darauf?«
»Gegen andere bist du nicht so wortkarg.«
Zu Susannes Glück erwartete Till keine weitere Erklärung von ihr, denn seine Aufmerksamkeit wurde bereits auf etwas anderes gelenkt. Sie hatten den Weg durch das
Viertel eingeschlagen, in dem seit vielen Jahren nach und nach der Untergrund absackte. Die Häuser,
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