Salzträume 2: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
„Ja.“
Er beugte sich zu ihr hinunter und küßte sie erneut, sanfter diesmal, behutsam, mit fast respektvoller Zurückhaltung. Nach einer langen Weile erst gab er ihren Mund wieder frei. Sie fühlte, wie er mit seinen aufkeimenden Gefühlen kämpfte. Er brauchte ein paar Augenblicke, bevor er wieder sprechen konnte.
„Es wird nicht immer leicht für uns sein“, sagte er und strich ihr mit dem Finger über die Lippen.
„Wir werden uns streiten wie Hund und Katze“, gab sie zurück. „Und glaube nur nicht, daß du jeden Streit gewinnen wirst. Ich werde mich nicht automatisch gehorsam deiner , überlegenen männlichen Urteilskraft ‘ beugen. Ich glaube nämlich nicht an deren generelle Existenz. Ich werde meine eigene Meinung zu Dingen haben und meine eigenen Entscheidungen treffen. Ich will nie wieder abhängig und ausgeliefert sein. Ich werde kämpfen. – Ich wette, du hast etwas dagegen, daß ich eine Expedition nach Zentralafrika plane.“
„Da habe ich sogar sehr viel dagegen.“
„Dann werden wir uns darum streiten.“
„Und danach werden wir uns versöhnen.“ Seine Hand strich ihr über die Wange. Dann, ganz plötzlich sprang er auf, und sie fühlte sich leer und verlassen.
„Und jetzt gehen wir runter zum Schlößchen.“
„Jetzt? Gleich?“ Sie setzte sich verwirrt auf. „Ich dachte …“ Was sie dachte, brachte sie nicht über die Lippen. Es gab Grenzen dessen was man aussprechen konnte. Sie wurde rot. Sie hätte sich ihm hingegeben, hier und jetzt unter dem Blätterdach des Herbstwaldes. Viel hatte er nicht gemacht, sie nur geküßt, und dennoch war sie voller Verlangen nach ihm.
„Du dachtest, ich würde über dich herfallen, hier im Freien? In der Kälte? Wo es jeden Moment zu regnen anfangen kann?“
Es hatte noch nie in Sevyos Lichtung geregnet, solange sie sich dort aufhielt. Doch das mochte sie ihm nicht sagen.
„Meine süße Braut, ich ziehe die Ungestörtheit unseres Brautbettes für diese vielversprechende Betätigung vor. Außerdem muß ich noch deinen Onkel um deine Hand bitten.“
„Ich bin volljährig!“
„Ich weiß. Dennoch gehört es sich formell so. Und ich mag es, Dinge anständig und korrekt zu erledigen. Es gelingt mir nur nicht immer. Auch deine neue Anstandsdame verdient zu wissen, daß Sie sich um dich keine Sorgen zu machen braucht. Und schließlich, Charlotte … ich möchte mich wirklich nicht etwelchen anstößigen Vergnügungen hingeben, während ich beobachtet werde – und sei es von einem Baum. Deinem Baum.“
Sie folgte seinem frustrierten Blick und begann zu kichern. Um das Bäumchen herum war ganz plötzlich ein Kreis blutroter Rosen erblüht, lang und gerade und hochgewachsen und von ungeheuerer Schönheit. Sevyo hatte seinen Segen gegeben.
„Er mag dich“, sagte sie und mußte über seine saure Miene lachen. „Sevyo gibt seine Zustimmung. Er ist einverstanden.“
„Danke.“ Er klang trocken und wandte sich geflissentlich von dem Schaubild floraler Anspielung ab. Er half ihr hoch. Plötzlich begann sie vor Lachen zu zittern, kicherte, gluckste, lachte, konnte nicht mehr aufhören. Er zog sie zurück in seine Arme und hielt sie fest. Tränen liefen ihr übers Gesicht und gaben Zeugnis von ihren gänzlich verworrenen Gefühlen. Sie war sich nicht mehr sicher, ob sie weinte oder lachte. Es war einerlei. Es war gut, loszulassen und alles an aufgestauter Angst und angesammeltem Schmerz aus sich hinauszulassen.
Zum ersten Mal konnte sie sich selbst gegenüber rückhaltlos zugeben, daß sie ihn liebte, auch wenn es gegen jede Logik oder Vernunft war. Und er, dieser kritische, schwierige Mann, liebte sie auch, so wie sie war – oder vielleicht sogar, obgleich sie so war, wie sie war.
„Charlotte, was hast du denn?“ murmelte er in ihr Ohr und klang verwirrt und besorgt.
„Ich bin glücklich“, sagte sie. „Ich liebe dich so sehr. Und heute nacht werde ich dir etwas ganz Neues schenken, eine völlig neue Erfahrung werde ich dir geben.“
„Charlotte, ich …“, versuchte er einzuwenden.
„Ich werde dich beim Schach schlagen.“
Er drückte sie fest an sich.
„Das denkst du dir so“, nahm er die Herauforderung an und grinste. „Wir werden sehen.“
Epilog
Ladners Poststation
Arpad, mein geliebter Freund,
ich werde diesen Brief jemandem anvertrauen, damit er ihn Dir gibt, denn ich werde noch vor Einbruch der Dunkelheit fort sein. Frau Treynstern kommt mit mir. Sie hat tapfer die Herausforderung angenommen, meinen
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