Samuel Carver 05 - Collapse
anlasten konnte, und der Downing Street ungeachtet der Tatsachen immer genau das mitteilten, was man dort hören wollte, mussten sich die Mitarbeiter an Granthams übellaunige Offenheit erst noch gewöhnen.
»Meinen Sie damit unseren früheren Premierminister?«, fragte der zweitälteste Mitarbeiter, Piers Nainby-Martin, in amüsiert gelangweiltem Ton. Er war seit dreißig Jahren beim Secret Service und hatte seine Erziehung in Eton und am New College in Oxford erhalten.
»Aber ja, Piers, natürlich meine ich Right Honourable Nicholas Orwell, einstmals Mitglied für den Wahlkreis Blabey und Trimingham, nunmehr vollauf damit beschäftigt, sein Nest auszupolstern. Was höre ich da über sein neues Unternehmen? Ein Investmentfonds für die Stinkreichen … Na los, wir wollen es wissen.«
Elaine McAndrew, ein bebrillter, mausgrauerBlaustrumpftyp in den Dreißigern, stand auf und zeigte mit einer Fernbedienung auf einen großen Plasmabildschirm. »Das ist die Aufnahme von gestern Abend.«
Auf dem Bildschirm erschienen körnige Bilder von einer Gartenparty. Ein großer runder Speisetisch mit üppiger Blumendekoration in der Mitte stand an einem beleuchteten Swimmingpool, an dessen anderem Ende zwei Pavillons aus Seidenvorhängen aufgebaut waren. In einem davon warteten zwei Chefköche hinter einem Buffet mit ganzen Hummern, prächtigen Riesengarnelen, einem perfekt rosa gebratenen Roastbeef, goldgelb glacierten Hühnchen, Silberschüsseln voll Pasta, Reis und Salaten aller Art und zwei Rechauds, die einen Duft verbreiteten, der einem Dreisternerestaurant alle Ehre gemacht hätte. Im angrenzenden Pavillon hielt ein Barmixer Premier-Cru-Weine und Jahrgangschampagner, europäische, asiatische und amerikanische Biere und für die Liebhaber hochgeistiger Getränke eine Auswahl Single Malt Whiskys bereit.
»Das ist das Castello di Santo Spirito, ein Anwesen in der Toskana, etwa zehn Kilometer von Siena entfernt. Gehört einem Amerikaner namens Malachi Zorn«, erklärte die Frau.
»Diesem Spekulanten?«, fragte Grantham.
»Ganz recht, Sir, ja.«
Grantham brummte missbilligend. »Seine Spekulationen scheinen wohl recht erfolgreich zu sein.«
»Ja, Sir, angeblich besitzt er über fünfzehn Milliarden Dollar.«
Am Tischende raschelte Papier, und jemand meldete sich zu Wort. »Nach der Liste der reichsten Personen der Welt in der jüngsten Forbes -Ausgabe sind es fünfzehn Komma drei.«
Grantham hatte mit gleichgültigem Gesicht und einer Spur Ekel zugehört. »Was für ein Anlass war das?«
»Eine Dinnerparty, Sir«, sagte McAndrew. »Für ähnlich vermögende Gäste.«
Die Kamera schwenkte in die entgegengesetzte Richtung auf eine Steintreppe, die zu einem Landhaus führte. Nach den Champagnergläsern zu urteilen, die ab und zu am unteren Rand ins Bild hineinragten, war die Kamera am Jackett eines Kellners befestigt. Sie richtete sich nun auf einen Mann. Sein schwarzer Anzug war makellos geschnitten und kunstvoll zerknittert, sein weißes Hemd ohne Krawatte, die obersten drei Knöpfe geöffnet, sodass eine gebräunte, haarlose Brust zu sehen war. Eine Gruppe von Gästen – Grantham zählte neun Männer und Frauen – folgte ihm die Stufen hinunter wie die Kinder dem Hamelner Rattenfänger.
»Mr Zorn, nehme ich an«, sagte Grantham.
»Ja, Sir.«
»Und was haben wir über ihn?«
Nainby-Martin ergriff das Wort. »Würden Sie bitte den Film einen Augenblick anhalten, Elaine?« Sowie das geschehen war, blickte er auf die vor ihm liegende Akte. »Malachi Vernon Zorn. Geboren 1970 in Westchester, New York. Sein Vater war Bankangestellter, seine Mutter Hausfrau. Malachi war das einzige Kind. Er besuchte die Phillips Exeter Academy, dann ging er nach Harvard und studierte Mathematik, wofür er eine phänomenale Begabung hatte. Bereits als Junge konnte er ausgezeichnet reiten, spielte viel Tennis und war ein tüchtiger Segler. So weit ein ganz gewöhnlicher Privilegierter. Dann nahm sein Leben eine überraschende Wende. Beide Eltern starben, zuerst die Mutter, dann der untröstliche Vater.
Zorn absolvierte gerade sein letztes Jahr in Harvard, verließ die Universität jedoch ohne Abschluss. Er trieb sich permanent in den New Yorker Partykreisen herum, offenbar bestrebt, das geerbte Vermögen so schnell wie möglich durchzubringen. Abund zu wurde er in der Klatschpresse erwähnt, aber davon abgesehen hörte man nichts von ihm bis 1995, als er eine kleine Firma gründete: Zorn Financials. Es war ein Einmannunternehmen: Zorn
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