Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Zypressenholz sagte man einen gewissen Schutz vor Würmern nach. Man verwendete es für den Schiffsbau. War das Zelt Gottes vielleicht aus Zypressenholz gefertigt? Das Königreich des Vaters … Ein Kaufmann auf hoher See. Ein kluger Kaufmann auf hoher See … Wie war bloß die Großmutter an ein verbotenes Evangelium gekommen?
Verzweifelt schüttelte Damian den Kopf. Besser, er hielt sich an das, was kirchlicherseits erlaubt war und was ihm auch Boson aufgetragen hatte: „Das Studium der Offenbarung des Johannes wird dich erleuchten.“
Und wie ging es dort weiter? Der Strom lebendigen Wassers … Hier war einzige Beweis, an dem nicht gerüttelt werden konnte: Das Rinnsal, gespeist vom Aquädukt, wurde so genannt und es existierte. Aber was war mit den Motten und Würmern?
Himmel, er drehte sich schon wieder im Kreis!
Je nun, man wird sehen , pflegte Olivier zu sagen – und da klopfte es auch schon.
Damian sprang auf, schnappte sich das Schwert.
18.
Die Glocken läuteten. Der Platz Saint-Etienne war voll mit Menschen. Nur die Balkenabsperrung vor der Estrade hielt die Menge zurück. Bereits auf dem Ritt durch die beflaggte und geschmückte Stadt war kaum ein Durchkommen gewesen.
Die Gräfinnen und ihr Gefolge saßen auf der Bühne - unter dem Schutz eines roten Baldachins.
„Ich weiß mit Gewissheit, dass der Feind unseren Untergang plant!“, rief Graf Raymond, auf einem gesonderten Podest stehend, den Tolosanern zu. „Simon von Montfort wird seine Armeen immer wieder gegen unsere Mauern schleudern. Er will uns zermürben, uns aushungern. Erst vor kurzem hat er meine Stadt Lanta genommen und richtet sich nun erneut gegen uns ...“
Sancha kannte die Rede bereits. Alle hatten sie daran mitgewirkt: Aufgesetzt hatte sie der neue Hofchronist, Meister Córb – den sie aufgrund seines langen schwarzen Rockes aus Camelot den „Raben“ nannten – dann natürlich der Vogt, sowie Balthus und seine Sekretäre und Schreiber. Auch Belcaire, der Sprecher der Konsuln, war im Bunde gewesen, um Raymonds Herzenswunsch zu erfüllen, dass wirklich alle hinter seiner Rede standen.
Sancha sah zu Roç hinüber, der seinen Vater mit halber Haupteslänge überragte. Kühn sah der Junge aus, im neuen Wappenrock, die hohe Stirn einzig mit einem Lederband geziert. Sancha war stolz auf ihn. Bedauerlicherweise hatten sie sich wieder entfremdet. Beide waren sie zu lange getrennt gewesen, Roç auf seinen Ländereien und im Heerlager, sie am Meer, die ersten Wochen niedergestreckt von einem Fieber. Die Nachricht, dass Rosaire eine gesunde Tochter geboren und Ro ç sofort zu ihr geeilt war, hatte ihr regelrecht die Füße weggezogen. Blieb zu hoffen, dass sie ihr Eheleben bald wieder aufnehmen konnten. In Ruhe und Frieden. Miraval hatte aus Zaragoza geschrieben, Pedro hätte bereits ein riesiges Heer um sich versammelt, um Toulouse beizustehen. Bei Gott, auf den Bruder war Verlass!
Der alte Raymond redete noch immer. Von ritterlicher Ehre sprach er, von der Paratge , von Gerechtigkeit, Verwandtschafts- und Lehnstreue. Begleitet von lautstarken Trommelwirbeln hatte er auch schon mehrmals zu den Waffen gerufen.
Sancha warf einen Blick auf Leonora, die sichtlich angestrengt lauschte. Im Licht der müden Mondsichel sah sie gefasst, aber bleich und zugleich wunderschön aus - wie eine vollerblühte Wasserrose. Ihre im Schoß ruhenden Hände waren indes verkrampft. Leonora war die einzige, die vor der geplanten großen Schlacht warnte. „Der Krieg schreit nach Leichen. Es ruft ihn nur der an, der ihn nicht kennt", hatte sie eingeworfen, „wer ihn aber erlebt hat, dem muss das Herz bereits beim Gedanken daran schwer sein. Und heißt es nicht in der Heiligen Schrift, selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen? Wir stehen an einer Wegscheide und sollten den richtigen, den guten, den christlichen Weg einschlagen!“ Mit all ihrer Liebe und Überzeugungskraft hatte sie ihren Gemahl, Roç, die Konsuln und Berater angefleht, den Plan zu verwerfen. Zum Schluss war sie so beunruhigt, verwirrt und voller Angst gewesen, dass Raymond sie, statt sie zurechtzuweisen, fürsorglich beim Arm genommen und hinausgeführt hatte.
Es war schwül. Sancha schob ihren Schleier ein Stück beiseite. Sie selbst setzte auf Pedro, auf das Bündnis. Gemeinsam zuzuschlagen war vernünftig. Manchmal war eben der Krieg das einzige Mittel um Frieden zu finden. Und dann, wenn alles vorüber war, wenn alle zur Ruhe kamen und wenn sie,
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