Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Die Templer zierten sich nicht, auch Pater Sola griff beherzt zu.
Über ihn erstaunte sich Sancha schon lange. Leonoras Beichtvater war immer ein entschiedener Gegner der Katharer gewesen, doch das, was er in Collioure an Leibesfülle zugelegt hatte, schien er an Schärfe und Selbstgerechtigkeit verloren zu haben. Vielleicht lag es am Meer oder aber am Alter, dass er sich verändert hatte. Hier würde er gerne seinen Lebensabend beschließen, hatte er erst kürzlich gemeint, worauf sie, Sancha, die boshafte Bemerkung machte, er könne ja dem Eremiten Gesellschaft leisten, wenn sie wieder nach Toulouse ritten. Bei Bruder Thomas würde sein Bäuchlein allerdings schmelzen wie der Schnee im Frühling.
Sie klatschte mehrmals in die Hände, damit die Mägde nur ja nicht vergaßen, die Becher der Gäste zu füllen. Irgendwann warf sie ihrerseits einen flüchtigen Blick auf Lizerant - der diesen jedoch sofort auffing, ja, ihr sogar frech zunickte.
Nun reichte es Sancha. Sie wich dem Blick nicht aus, sondern zog fragend die Stirn in Falten.
Da! War es zu fassen? Jetzt gab er ihr sogar ein Zeichen, hob für einen Wimpernschlag die Hand und schüttelte zugleich warnend den Kopf! Sollte das „später“ bedeuten? Ein Vier-Augen-Gespräch? Wenn ja, dann musste er sich gedulden.
Mit dem Auftragen der in Wein gedünsteten Feigen und des Konfekts brach die Nacht herein. Lichter wurden aufgesteckt. Doch noch vor Hagelsteins Auftritt zog sich Leonora auf ihr Gemach zurück – sichtlich widerstrebend begleitet von ihren Damen und Pater Sola. „Meine Schwester wird die Tafel aufheben, wenn es an der Zeit ist“, entschuldigte sie bei Lizerant und den Gästen.
Der Narr betrat den Hof über die im Halbdunkel liegenden Arkaden.
Petronilla und Gala glucksten vor Vorfreude. Die zwei hatten am späten Nachmittag sein gelbes Haar sorgfältig unter die Narrengugel gesteckt, sein Gesicht mit Kalk geweißt, die Augenlider mit Kohle geschwärzt und die Lippen rot angemalt. Das blaue, breit gegürtete Wams mit doppelten Schulterpolstern und geschlitzten, grün unterlegten Ärmeln, das ihm eine geschickte Magd genäht hatte, stand ihm prächtig und die Glöckchenbänder um seine Stiefel bimmelten bei jedem Schritt.
Am Großen Ziehbrunnen blieb er stehen. Eine höfische Verbeugung, ein launiger Gruß. Alle spendeten Beifall.
Sancha freute sich diebisch auf Falks Auftritt. Doch als er zu singen begann, traute sie ihren Ohren kaum. Sie hätte nicht sagen können, woran es lag, dass er sie enttäuschte. Nicht, dass sie in ihrer Vorfreude Miravals warme Stimme erwartet hätte, eher bewahrheitete es sich einmal mehr, dass zwischen zwei Begabungen das große Meer lag. Als aber auch noch sein Lautenspiel zu wünschen übrig ließ, war Sancha insgeheim froh, dass Leonora nicht mehr unter ihnen weilte, zumal sie diesen Auftritt sowieso für eine Narretei hielt.
Die einzige, die andächtig lauschte, ja, Hagelstein geradezu verzückt mit den Augen verschlang, war - Sancha hob erstaunt die Brauen – Petronilla! Bahnte sich da etwas an? Ein leises Ziehen regte sich in Sanchas Brust ...
Das erste Lied – von Hagelstein selbst geschrieben und vertont - handelte von Helden: Von Männern der Tat, die es irgendwann abzulösen galt, und zwar von Männern des Worts und des Gesangs. Spöttische Mienen bei den Templern. Einige unterhielten sich leise, andere knackten ungeziert Nüsse. Würde es jäh zu regen beginnen, dachte Sancha verärgert, als sie einen weiteren Blick auf den Komtur warf, so liefe Lizerant das Wasser in die Nasenlöcher.
Der Beifall hielt sich in Grenzen. Verhalten. Höflich.
Hagelstein verbeugte sich, setzte sich auf den Brunnenrand, schlug die Beine übereinander und sang ein … miserables Lied über die Minne. Die Verse, die er anschließend zum besten gab, waren auch nicht besser vorgetragen. War Falk ausgerechnet heute mit dem falschen Bein aufgestanden? Oder lag es an seiner Maske, dass sie, Sancha, mit einem Mal nicht mehr über sein gespreiztes Wesen und seine holprige Sprache lachen konnte? Im schlimmsten Fall, dachte sie bei sich, hatte sie ihn und sein Können die ganzen Jahre hindurch überschätzt.
"Die Raffer und die Reichen man
wohl mit dem Meer vergleichen kann“,
rief er mit unnatürlich lauter Stimme und ausholender Handgebärde,
„Der Brunnen, der doch wenig hat,
schon oft das Meer um Wasser bat.
Ganz ohne Schand` und ohne Sünden
wird man zu keinem Reichtum finden,
und täte man es noch so
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