Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Finger. Gehört hat niemand etwas, was äußerst verdächtig ist.“
Mit einem Mal spürte Sancha die Kälte nicht mehr. Sie war fassungslos, schwankte. „Mit ... durchtrennter Kehle?“
Der Bayle nickte. Dann veränderte sich auch seine Miene. „Mit Verlaub, Gräfin, aber vielleicht ist Euer Herold bereits gestern in der Nacht zurückgekommen und … Nun, womöglich versteckt er sich dort drüben?“ Er zog die Leine stramm und wies auf die Ställe.
„Ganz sicher nicht. Doch seht nach, wenn Ihr anderer Meinung seid. Durchsucht alles. Ich bürge reinen Gewissens für Falk von Hagelstein, zumal ich den Mörder der armen Frau zu kennen glaube. Ich weiß seinen Namen, auch wenn er diesen wechselt wie sein Hemd. Pons von Pézénas mordet mit großer Heimtücke und“ - Sancha fuhr sich mit dem Zeigefinger über ihre Kehle - „seine Handschrift ist dabei stets dieselbe. Allerdings werdet Ihr vergeblich nach ihm suchen, Bayle. Dieser Mann steht unter dem Schutz der Ritter des Salomonischen Tempels.“
Der Bayle war bei ihren Worten zusehends blass geworden. „Aber was hätte eine einfache Frau wie Grazide mit den Templern zu schaffen gehabt?“
„Wohl nichts. Ein Racheakt, der mich und meinen Herold treffen sollte. Oder Toulouse. Es ist eine lange Geschichte ...“
Sancha zog den Pelz enger an den Körper. Sie wischte sich die Flocken von der Nase, wechselte die Seite und hielt Ausschau nach dem Templerhaus, von dem ihr Falk erzählt hatte. Kein Rauch stieg auf aus der Richtung, in der es liegen musste. Ob sich Pons dort versteckte? Darauf lauerte, dass man Falk festnahm? Darauf wartete, dass sie, Sancha von Toulouse, angekrochen kam, um Gnade bettelte und Lizerants Ordensbrüder bereitwillig zum Tor führte? Wenn sie nur mit jemandem darüber sprechen könnte!
Erneut wechselte Sancha die Seite. Doch noch immer näherte sich kein Reiter. Als sie die Tage nachzählte, die Falk bereits unterwegs war, befürchtete sie ernsthaft, die Kämpfe um Toulouse könnten wieder aufgeflammt sein. Oder hatte es Schwierigkeiten mit der Schwertleite gegeben? " Huuu - Kwitt "! Sancha fuhr herum. Der Ruf eines Käuzchen? Aus dem Gehölz hinter der Burg? Ein schlechtes Omen, fürwahr! Sie bekreuzigte sich und sah stirnrunzelnd zum Bugarach hinauf, wo schnell wandernde Wolken Schatten über die Steilhänge warfen. Der Berg Sinai ... Wenigstens hatte es mit Pecaire keine Schwierigkeiten gegeben. Der Burgherr war ein gastfreundlicher alter Mann. Er fühle sich geehrt, hatte er bei ihrer Ankunft gesagt. Auch Gala hatte sich gleich gut eingefunden. Leichtfüßig wie eine Katze war sie auf der Suche nach sauberen Laken, Decken und Fellen so lange durch die Gänge und Kammern der alten Burg gehuscht, bis sie fündig geworden war. Der Knecht, der eine der größeren Kammern ausgekehrt und frisches Stroh aufgeschüttet hatte, staunte nur so, wie schnell das Bettgemach für die Damen hergerichtet war. Aber obwohl der Kaminschacht geöffnet wurde, war es kalt in der Burg, eiskalt, so dass sie auch in der Nacht die Pelze und wärmenden Beinlinge anbehielten. Die einzige wirkliche Beschwernis war indes das Fehlen eines Abtritts innerhalb der Burg, so dass sie entweder den Kübel benutzen oder bei Wind und Wetter auf den Hof hinunterlaufen mussten, wo man im Kot auszurutschen drohte und es wie hundert Teufel stank.
Aniort von Pecaire war allerdings von Tag zu Tag zusehends schwächer und teilnahmsloser geworden. Sancha hoffte inständig, dass er Damians Ankunft noch erlebte. Gestern Abend jedoch hatte es einen lichten Augenblick gegeben. Neugierig hatte er sie gefragt, weshalb sie eigentlich nicht mit ihrer Schwester nach Toulouse zurückgeritten sei. „Befindet Ihr Euch vielleicht in glücklichen Umständen und müsst Euch schonen?“
Sancha war zutiefst errötet. Sie hatte den Kopf geschüttelt und nach Pecaires Hand gegriffen. „ Ich will mich nicht hinter Lügen verstecken, Sénher. Der Junge Damian, den Ihr zu sehen begehrt, und der mit Gottes Hilfe in Kürze hier eintreffen wird, steht seit Jahren unter meinem persönlichen Schutz.“
„Er steht unter Eurem Schutz?“, hatte Pecaire nach einer Weile verwundert wiederholt, ihr dann jedoch zugezwinkert: „Sollte es nicht umgekehrt sein?“
Sancha hatte hell aufgelacht. „Gewiss. In diesem besonderen Fall bin jedoch ich diejenige, die darauf achtet, dass dem Jungen kein Unrecht geschieht ...“
Kein Unrecht! Sancha klopfte sich erneut den Schnee vom Umhang. Ausgerechnet jetzt kam
Weitere Kostenlose Bücher