Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
lassen. Der Faltenwurf ihres mit goldenen Sternen bestickten weißen Tasselmantels ließ sie geradezu schweben und die hochgesteckten dunklen Haarflechten machten sie größer als sie in Wirklichkeit war. Ein perlenbesetztes Schapel schmückte ihre Stirn, und der dort befestigte zarte Schleier fiel wie die Kaskaden eines Wasserfalls auf ihre schmalen Schultern. Als sie im Gestühl Platz nahm, und sich ihr Mantel ein Stück öffnete, begannen die Leute erneut zu raunen. Und das hatte seinen Grund: Im Helldunkel der Kathedrale verfing sich mehrmals ein Sonnenstrahl in dem kleinen Silberspiegel, der an ihrem Gürtel befestigt war.
Die Messe begann. In der Ansprache legte man den angehenden Jungrittern ans Herz, das Gemeine, das Unritterliche, zu meiden, niemals den Damen Übles nachzusagen und gegen den Knecht ebenso freundlich zu sein wie gegen den König.
Damian und Olivier gelobten. Dann senkten sie feierlich den Kopf.
Die Grafen traten heran, um den Ritterschlag vorzunehmen. Damians Herz flatterte. War seine Jugend schon vorüber? Als sich das lange Schwert auf seine Schultern senkte, bedauerte er mit einem Mal, dass Sancha und Gala nicht hier waren. Niemand wusste etwas über ihren Verbleib. Alle hüllten sich in Schweigen. Vor allem Gala fehlte ihm. Gala mit ihren schwarzen und dennoch spiegelklaren Augen.
Die Zeremonie der Schwertleite endete mit einem Fest, einem ausgelassenen Treiben, wie es das verwundete Toulouse lange nicht mehr erlebt hatte. Angeschwärmt von den schönsten Mädchen, die die Stadt aufbieten konnte, ließen es sich auch die Jungritter gut gehen. Nur Olivier, dessen Zunge vom Wein bald wie geschmiert lief, bedauerte zutiefst, dass die Zelte „der verdammten Franzosen“, wie er sagte, ausgerechnet auf dem Turnierplatz standen. „Stell dir nur vor“, raunte er Damian zu, als sie sich über die knusprigen Karbonaden hermachten, „ein glanzvolles Kampfspiel, all die bunten, aufgepflanzten Paniere und die herrlichen ...“
„ … Weiber auf dem Damengerüst! Ich weiß! Ich weiß!“ Damian grinste anzüglich. „Und die Schönste unter ihnen führt einen Sperber in der Hand. Und ihre Augen glänzen vor Liebesglut! Und wenn sie nicht ...“
„Je nun“, unterbrach ihn Olivier, „fest steht, das Turnier zur Schwertleite haben uns die Franzosenschweine vermasselt. Ich könnte sie erwürgen.“ Wütend schmiss er einen Knochen nach einem der Hunde, die auf dem behelfsmäßig hergerichteten Festplatz herumstromerten, und traf ihn am Kopf. Der Köter jaulte auf und sprang davon. Alles lachte. Olivier am lautesten.
Sie lagen noch im tiefen Schlaf in ihrer Kammer im Erdgeschoß des Palastes der Familie von Roaix, als es draußen klopfte und Hagelstein eintrat. „Ich habe euch etwas mitzuteilen“, sagte er, setzte sich ungeniert auf die Truhe, schlug ein Bein übers andere und präsentierte ihnen, kaum dass sie zu sich gekommen waren, seine Entdeckung.
Damian war sofort hellwach. Eine schmerzhafte Eifersucht überkam ihn. Er konnte es nicht fassen. Der Narr hatte das Zelt Gottes gefunden? Das durfte doch nicht sein! Hatte man sie deshalb so überraschend zum Ritter geschlagen?
Er warf einen hilfeheischenden Blick auf Olivier, der jedoch wie geistesabwesend vor sich hinstarrte.
„Was ist denn los, Senhors?“ Hagelstein schlug einen spöttischen Ton an. „Die Geleitbriefe sind bereits fertig, sie liegen beim Schreiber. Wir reiten noch heute Nacht. Doña Sancha erwartet uns.“
„Aber die Kämpfe ...“, warf Damian patzig ein. „Was ist, wenn sie wieder aufflammen? Das Château und der Turnierplatz befinden sich noch immer in Feindeshand. Wir haben den Grafen versprochen, noch so lange in Toulouse auszuharren, bis ...“
„Montfort ist bereits nach Carcassonne geritten, um dort das Weihnachtsfest mit seiner Familie zu verbringen. Die Waffen schweigen bis in den Frühling hinein. Ihr habt die Erlaubnis, euch für eine Weile zu entfernen. Von höchster Stelle."
Damian bückte sich, um seine Beinlinge und die Samtkappe aufzuheben, die er in der Nacht, betrunken wie er war, auf den Boden hatte fallen lassen. Als er sich wieder aufrichtete, drehte sich alles in seinem Kopf und ihm war übel. Er fühlte sich überrumpelt, in die Enge getrieben, ja hintergangen. Fahrig fuhr er sich mit den Fingern durch die Locken, wusste nicht, was er sagen sollte. Endlich stieg er in die Beinlinge. Hatte man denn je davon gehört, dass ein Kastellan seine Burg verschenkte? Er glaubte dem Narren
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